Der Drachenthron: Roman (German Edition)
Meisterleistung.«
Dabei habe ich mich gar nicht verstellt. »Hm. Und wie viele Königinnen und Prinzessinen können der Versuchung widerstehen, einen betrunkenen Prinzen zu begrapschen, der splitterfasernackt ist?«
»Die Königinnen Shezira und Zafir haben beide dankend abgelehnt und werden sich um Prinzessin Lystra kümmern. Königin Fyon hingegen hat begeistert zugesagt. Ihren Töchtern hat sie allerdings verboten, sie zu begleiten.«
Jehal stöhnte auf. Königin Fyon – Tante Fyon – war Narghons Frau. Sie war grauhaarig und faltig und mindestens zehn Jahre älter als Aliphera. Damals waren Gerüchte im Palast umgegangen, dass sie und König Tyan nicht nur Bruder und Schwester, sondern auch Geliebte waren. Die Anzahl der Erben, die sie König Narghon geboren hatte, war ein deutlicher Beweis für ihren ungetrübten Enthusiasmus auf diesem Gebiet.
»Prinzessin Jaslyn wird wohl ebenfalls anwesend sein.«
Jehal musste husten. »Du musst dich täuschen.«
Meteroa wirkte verletzt. »Ich bin ein wahrlich unvollkommener Diener, Hoheit. Aber nur gelegentlich.«
»Sie hat unmissverständlich klargemacht, dass sie mich hasst.«
»Ich werde dafür sorgen, dass sie dich nicht vergiftet, Hoheit.«
Jehal schnaubte. »Sorg bitte lieber dafür, dass Königin Zafir meiner Braut nichts antut. Lystra soll bei klarem Verstand sein, wenn ich sie nehme. Zafir trägt einen Giftring. Behalt sie im Auge.« Er glaubte, ein hämisches Grinsen auf Meteroas Gesicht zu sehen, doch bevor er ihn scharf zurechtweisen konnte, setzte eine Glocke ein. Meteroa schlug ihm auf den Rücken.
»Es ist so weit.«
»Vor langer Zeit haben Könige und Königinnen auf dieselbe Art geheiratet wie jeder andere auch.« Jehal atmete tief ein und rieb sich die Augen. Sein Kopf drehte sich immer noch. Hoch oben am Himmelszelt leuchteten die Sterne. Ein silberner Halbmond hing am Horizont, weit draußen auf hoher See. Eine leichte Brise wehte vom Hafen herauf, die eine eigenartige Mischung verschiedenster Gerüche mit sich brachte: das salzige Aroma des Meeres, verfaulter Fisch und Ammoniak, Rosen-, Myrrhen- und Sandelholzduft von den Räucherpfannen, die überall in den Palastgärten verteilt waren.
»Das war vor den Sieben Prinzen und dem Dornenkrieg.« Meteroa führte Jehal in Richtung des Festsaals zurück.
»Ich weiß, ich weiß, und Sprecher Vishmir sperrte Prinz Halim und Königin Lira schließlich in den Turm der Lüfte ein und ließ sie erst wieder heraus, als Lira mit einem Erben schwanger war, und das war das Ende der Geschich – te. Sosehr ich Vishmirs nüchternen Ansatz bewundere, glaube ich nicht, dass er es als allgemeine Praxis einführen wollte.«
»Erben sind wichtig.« Für einen kurzen Moment war jeglicher Ausdruck aus Meteroas Gesicht wie weggewischt. Dann lächelte er höflich. »Frag Hyram.«
Jehal lachte. »Erben sind gefährlich. Frag Aliphera. Oh, warte, das kannst du ja nicht. Sie ist tot.« Er rümpfte die Nase. »Wer auch immer für die Räucherpfannen verantwortlich ist, sollte ausgepeitscht werden. So funktioniert das nicht. Hast du die Duftreben wie abgesprochen um das Ostfenster des Hochzeitszimmers angebracht?«
Meteroa nickte und schob Jehal in den Festsaal. Niemand tanzte. Prinzessin Lystra stand in der Mitte der Tanzfläche. Jeder starrte ihn an, doch ihm blieb keine Zeit, Genaueres wahrzunehmen, bevor sich auch schon eine Meute Ritter auf ihn stürzte. Im nächsten Augenblick wurde er gepackt und auf den Schultern getragen. Die Menschen jubelten und klatschten Beifall. Jehal musste sich regelrecht den Hals verrenken, um gerade noch einen flüchtigen Blick auf Prinzessin Lystra zu erhaschen, die von zwei Königinnen aus dem Raum geleitet wurde, ihrer Mutter auf der einen und Zafir auf der anderen Seite.
Er schloss die Augen. Die drei Frauen waren noch nicht einmal aus dem Festsaal verschwunden, als ihn unzählige Hände betatschten und an seiner Kleidung rissen. Über die derben Witze der Reiter hinweg konnte er Königin Fyons schrilles Lachen hören. Er erschauderte. Die Frauen waren immer die Schlimmsten.
Wie bei einer Prozession wurde er hoch über den Köpfen durch die Gänge bis zum Sonnenturm im Zentrum des Palasts getragen. Dort hätten sie ihn beinahe bei dem Versuch fallen lassen, ihn die schmale Wendeltreppe hinaufzuschleppen, doch anscheinend nahmen sie eher dieses Risiko in Kauf, bevor sie ihm gestattet hätten, selbst zu gehen. Als sie endlich den oberen Treppenabsatz erreichten, fühlte er sich
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