Der Drachenthron: Roman (German Edition)
Wenn möglich packte sie sie mit den Klauen und biss ihnen den Kopf ab. Falls sie sie kommen sahen und wegliefen, schlug sie mit dem Schwanz nach ihnen, schlang ihn um ihre Leiber und riss sie mit sich in die Lüfte, um sich an ihnen zu laben, solange sie noch benommen waren. Schlimmstenfalls verbrannte sie die Tiere. Roh schmeckten sie allerdings besser.
Heute war der Himmel grau, und ein stetiger Regen prasselte herab. Regen und Wolken waren gut. Sie konnte viel tiefer fliegen, bevor ihr Kommen bemerkt wurde, was bedeutete, dass den Tieren weniger Zeit blieb, sich zu verstecken, während Schneeflocke vom Himmel herabfiel und sich auf sie stürzte. Sie aß sich stets satt, und dennoch trieb sie etwas an, und sie segelte immer weiter und weiter die Täler entlang, als wüsste ein Teil von ihr, dass irgendwo dort draußen etwas auf sie wartete.
Und da war etwas. Sie war einen halben Tag geflogen und hatte vielleicht hundert Meilen hinter sich gelegt, als sie das Surren vereinzelter Gedanken spürte. Da waren Kleine. Als sie den Blick nach unten senkte, konnte sie sie nicht sehen, nur die endlosen Baumwipfel und den kleinen Fluss, der sich wie eine Narbe durch das Tal schlängelte. Sie flog in kreisförmigen Schleifen zu den Bäumen hinab, landete schließlich im Fluss und spähte in den düsteren Wald. Ihre Augen fanden nichts, aber sie wusste es dennoch. Die Kleinen waren so nah, dass sie ihre Gedanken spüren konnte, jeden einzelnen von ihnen. Und sie hatten nicht einmal mitbekommen, dass sie hier war.
Einen Moment lang überlegte sie, was sie tun sollte. Dann stieg sie ein weiteres Mal in den Himmel.
25
In Schutt und Asche
D er Drache trottete einige Meter den Fluss hinab, und bei jedem Schritt purzelten Gesteinsbrocken mit einem lauten Platschen ins Wasser. Dann blieb das Tier stehen und besah sich die beiden Neuankömmlinge. Die Luft stank nach feuchter Holzkohle. Während sie in den schützenden Wald flüchteten, musste Sollos immer wieder über verkohlte Leichen steigen. Outsider, die von einem Drachen verbrannt worden waren. Der Anblick ließ zu viele schreckliche Erinnerungen wach werden. Ihm graute.
»Elender Mistkerl«, grunzte Kemir.
Sollos schüttelte den Kopf. »Es muss einen Reiter geben. Wie schon gesagt, Drachen speien nicht Feuer, außer jemand befiehlt es ihnen, und sie fackeln ihre Beute nicht ab. Sie lieben rohes Fleisch.«
Sie spähten durch die Bäume. »Sollen wir umkehren und Reiter Rotznase warnen?«, fragte Kemir. »Oder macht es mehr Spaß, einfach abzuwarten und zuzuschauen, was passiert?«
»Spielt keine Rolle.« Sollos schnalzte mit der Zunge. »Er trollt sich«, sagte er und rannte zurück durch die Bäume zum Fluss. Sobald er dort ankam, hatte sich der Drache längst in die Lüfte erhoben. Der Söldner sah ihm nach, wie er knapp über den Baumspitzen durch die Talsohle flog und hinter der nächsten Biegung aus seinem Blickfeld verschwand. Süden , dachte er. Richtung Süden .
Er drehte sich um und schaute flussabwärts, wo sich die Reiter und ihr Alchemist einen Weg über die Steine bahnten.
»Sollos!«
Er konnte Kemir in dem Meer aus Bäumen nicht ausmachen, doch ihm war die Dringlichkeit in seiner Stimme nicht entgangen. Er stürzte zurück in den Schutz des Waldes. »Was?«
»Ein Überlebender. Oder so was in der Art.«
Als Sollos seinen Gefährten fand, kniete dieser neben einem Baum, an dem ein Outsider lehnte. Wenn man bedachte, welch schwere Verbrennungen sich der Mann zugezogen hatte, war es ein Wunder, dass er nicht tot war.
»Verdammt! Gib ihm Wasser!«
Kemir grunzte. »Schon getan. Er wird’s nicht mehr lang machen. Der Schmerz hat ihn wohl um den Verstand gebracht. Er redet die ganze Zeit dummes Zeug und behauptet, der Drache hat mit ihm gesprochen.«
Der Mann nickte stöhnend. »Der Drache redet. Er war in meinem Kopf.«
»Siehst du?« Kemir zuckte mit den Schultern. »Völlig plemplem.«
»Geh und hol den Alchemisten. Vielleicht kann er noch was tun.«
»Geh doch du und hol den Alchemisten!«
»Hol den Alchemisten!« Sollos schubste Kemir fort und ging neben dem sterbenden Mann in die Hocke. »Wir haben den Drachen gesehen. Einen weißen Drachen. Er ist davongeflogen, als wir gerade gekommen sind. Ist er für all das hier verantwortlich?«
»Nein, das war ein unachtsamer Kerl mit seiner Pfeife«, murmelte Kemir. »Was soll der Blödsinn?«
Sollos stand auf. Dieses Mal stieß er Kemir unsanft in Richtung des Flusses und schrie ihn
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