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Der Drachenthron: Roman (German Edition)

Der Drachenthron: Roman (German Edition)

Titel: Der Drachenthron: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Deas
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schmerzverzerrtem Gesicht fuhr der Alchemist mit der Klinge über die Haut an seinem Arm.
    »Halt die Schale so, dass das Blut aufgefangen wird.« Der Alchemist ballte die Faust. Blut rann an seinem Arm zum Ellbogen hinab. Als es in die Schale tropfte, zischte das Pulver.
    »Was ist das?« Sollos runzelte die Stirn.
    »Geht dich … äh … nichts an, Söldner.«
    »Sieht nach Zauberei aus«, murmelte Kemir und wich einen Schritt zurück. Selbst den Drachenrittern hatte es die Sprache verschlagen.
    »Er ist tot«, sagte Sollos. »Ein Elixier kann ihm da auch nicht mehr helfen. Wärt Ihr allerdings früher gekommen …«
    Der Alchemist funkelte ihn finster an. »Woher hast du deinen Namen, Söldner? Sollos. Das ist ein Name für einen … äh … Alchemisten und keinen Soldaten. Offensichtlich ein … äh … Fehler. Oder hast du ihn dir etwa selbst gegeben?« In der Schale hatten sich Pulver und Blut zu einer zähflüssigen Paste vermischt. Der Alchemist hob den Arm und wickelte einen Streifen weißes Leinen fest um die Wunde. »Äh. Du hast recht. Es ist zu spät, um ihm das Leben zu retten. Aber nicht zu spät, um ihn zum Reden zu bringen.«
    »Meister Huros?« Semian wirkte angespannt. »Mir ist nicht wohl bei der Sache. Blutmagie ist …«
    »Ist was?«
    »Die Königin befürwortet solche Praktiken nicht. Sie sind gesetzlich verboten.«
    »Vielleicht in … äh … ihrem Reich. Hier nicht.« Der Alchemist seufzte leise. »Wenn ich ihm das hier auf die Zunge streiche, wird er reden. Hm … Wenn Euch meine Vorgehensweise nicht gefällt, Reiter, dann tut mir das leid.« Er riss Sollos die Schale aus der Hand. »Verbrennt das Zeug, wenn Euch das lieber ist.«
    Semian zappelte verlegen herum. Als einige Sekunden verstrichen und er die Schale nicht an sich nahm, zuckte der Alchemist mit den Schultern. Er tauchte die Finger in die Paste, und noch bevor ihn jemand aufhalten konnte, schmierte er sie dem toten Mann in den Mund.

26
     
    Zeit des Erwachens
     
    T ag für Tag beobachtete Kailin die Veränderungen in Schneeflocke. Drachen, so hatte man ihm erklärt, waren wie kleine Kinder. Wenn das stimmte, dann wurde Schneeflocke direkt vor seinen Augen erwachsen. Sie war furchterregend, und dennoch stieg bei ihrem Anblick ein sonderbares Gefühl des Stolzes und der Bewunderung in ihm auf. Nie zuvor hatte es einen Drachen wie Schneeflocke gegeben, nicht mit dieser makellos reinen Farbe. Sie war geschmeidig und perfekt, und allmählich verwandelte sie sich in etwas Neues. Häufig flößte sie ihm schreckliche Angst ein, doch gleichzeitig war er ihr Knappe. Er hatte sich um sie gekümmert, seit sie aus ihrem Ei geschlüpft und in die Welt gekommen war, und nun lebte er schon beinahe zehn Jahre mit ihr zusammen. Allmählich begann er zu verstehen. Ihre Rollen hatten sich vertauscht. Er hatte sie umsorgt, gepflegt und gefüttert, und jetzt tat sie dasselbe für ihn.
    Sie entwickelten eine Routine. Jeden Tag, sobald die Sonne über das Gebirge kroch, entfaltete Schneeflocke die Flügel und erhob sich in die Lüfte. Kailin sah ihr nach und starrte noch lange, nachdem sie längst verschwunden war, zum Himmel empor. Dann setzte er sich ans Feuer, trank einen Schluck warmes Wasser und aß ein wenig von dem übrig gebliebenen Fleisch. Danach gab es nicht wirklich viel zu tun, außer auf Schneeflockes Rückkehr zu warten und sich besorgt zu fragen, ob heute der Tag war, an dem sie nicht zurückkam. Normalerweise wanderte er den Gebirgshang hinab und stapfte durch den tiefen Schnee zum nächstgelegenen Wäldchen, um Feuerholz zu sammeln. Wenn der Wind wehte, der so eisig war, dass es Kailin regelrecht die Haut vom Leib zog, kauerte er sich in den Windschatten eines Felsens und wartete einfach ab. Sobald Schneeflocke wiederauftauchte, wusste sie immer ganz genau, wo er zu finden war. Sie glühte dann und war so brennend heiß, dass Kailin sie kaum berühren konnte, und ihre Wärme brachte den Schnee zum Schmelzen, trocknete seine Kleidung und das Feuerholz und sorgte dafür, dass er nachts nicht fror. Jeden Tag ging sie für ihn auf die Jagd und brachte den Kadaver eines Tieres mit, das sie gefangen hatte. Er briet es über dem Feuer, und sie beobachtete ihn. Nachdem er seine Mahlzeit beendet hatte, verschlang sie den Rest des Fleisches mit einem einzigen Bissen. Kailin war sich durchaus bewusst, dass er ohne Schneeflocke längst verhungert oder erfroren wäre.
    Wenn sie bei ihm war, redete er mit ihr. Natürlich erwartete er keine

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