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Der Drachenthron: Roman (German Edition)

Der Drachenthron: Roman (German Edition)

Titel: Der Drachenthron: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Deas
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Antwort, doch im Gebirge war es so kalt und einsam, und Kailin fühlte sich besser, sobald er seine eigene Stimme vernahm. Manchmal, wenn sie ihn mit ihrem verständigen Gesichtsausdruck ansah, fragte er sich, ob sie ihm lauschte.
    Er erhielt eine Antwort darauf, als er über loses Gestein trottete, das Gleichgewicht verlor und stolperte. Die Welt um ihn herum schien einzustürzen und traf ihn am Kopf. Er blieb auf der Seite liegen, matt und wie benommen.
    Verletzt? , fragte eine Stimme in seinem Kopf.
    Er versuchte sich zu bewegen, aber für einen Moment gelang ihm selbst das nicht. Ja , stellte er fest. Ich bin verletzt .
    Dann stand auf einmal Schneeflocke über ihm, das Gesicht nur Zentimeter von seinem eigenen entfernt. Sie verdeckte den Himmel, und ihr sengend heißer Atem drückte ihn zu Boden. Er hob eine Hand, krabbelte rückwärts, und sie wich einen Schritt zurück.
    Ist er verletzt? , fragte die Stimme erneut.
    Stöhnend setzte sich Kailin auf. Sein Kopf begann zu pochen. Als er ihn berührte, waren seine Finger anschließend blutverschmiert. Langsam sah er zu Schneeflocke hoch.
    »Hast du etwas gesagt?« Er lachte und verzog dann schmerzgepeinigt das Gesicht. Drachen konnten nicht sprechen – höchstens in Sagen und Märchen.
    Sein Kopf ist gebrochen. Wird er …?
    Werde ich was? Ein Gedanke formte sich unwillkürlich in seinem Kopf, doch der letzte Teil schien keinen Sinn zu machen. Es hatte etwas damit zu tun, dass ihm immer heißer und heißer wurde, er einschlief und sich dann zusammengekauert in einem Ei wiederfand.
    Schneeflocke beäugte ihn und legte den Kopf schief. Sterben?
    Kailin kam es vor, als habe ihn eine riesige Hand geohrfeigt. Er war wie betäubt. Der Schmerz in seinem Kopf verebbte. Er stand auf und taumelte von Schneeflocke weg. »Du … du … ich kann deine Gedanken hören.«
    Schneeflocke schnaubte und schüttelte den Kopf, genau, wie sie es immer tat, wenn sie aufgeregt war. Er hört! Versteht!
    Kailin zitterte. »Du verstehst mich! Du verstehst Kailin!«
    Kailin? Ein Gefühl der Verständnislosigkeit traf ihn.
    »Das ist mein Name.«
    Name? Was ist ein Name?
    Kailin wusste nicht, was er darauf antworten sollte, doch Schneeflocke schien sich nicht daran zu stören. Sie sog die Antwort einfach aus seinem Kopf.
    Alle Kleinen haben Namen. Habe ich einen Namen?
    »Schneeflocke.«
    Schneeflocke. Weshalb?
    Kailin schaufelte eine Handvoll Schnee auf. »Weil du weiß bist.« Er hielt ihn hoch, um ihn ihr zu zeigen, und presste ihn dann gegen die Wunde an seiner Schläfe.
    Verletzt? Er spürte die Anspannung in ihren Gedanken.
    »Ein bisschen.«
     
    Sie führten ihre beschwerliche Unterhaltung bis tief in die Nacht fort, bis die Sonne längst untergegangen war und die Sterne den Himmel bedeckten. Die meiste Zeit über konnte sich Kailin weder einen Reim auf die Bilder machen, die in seinem Kopf aufblitzten, noch schien Schneeflocke ihn zu verstehen, egal wie sehr er sich beim Denken konzentrierte. Er spürte, wie sich bittere Enttäuschung in ihr zusammenballte, doch dann schien etwas zu explodieren, und ihrer beider Gedanken befanden sich auf einmal in Einklang. Dieser Zustand währte einige Sekunden, vielleicht ein wenig länger, bevor sie wieder auseinanderdrifteten. Irgendwann schlief Kailin völlig erschöpft und übermüdet ein. Das Letzte, was er von ihr erspürte, war ihr hellwacher Zustand und mit welch ehrfurchtsvoller Verwunderung sie erfüllt war.
    Noch mehrere Tage waren Schneeflockes Gedanken, die in seinem Kopf auftauchten, sonderbar und fremd. Sie machten nur höchst selten Sinn, und er musste fortwährend nachhaken und sich alles mehrmals erklären lassen. Aber im Laufe der Zeit nahmen sie an Schärfe zu, wurden eindeutiger, klarer. Kailin redete auf Schneeflocke ein, sobald sie zurück war, und sie antwortete. Jeder Tag brachte eine Veränderung in ihr, und es gab immer neue Entdeckungen zu machen. Sie sprach deutlicher, verständlicher, intelligenter als noch am Tag zuvor. Ein tiefes Gefühl von Erstaunen und unersättlicher Neugierde durchdrang jeden ihrer Gedanken, und dem konnte sich auch Kailin nicht entziehen. Kein Knappe hatte je erlebt, was er sah – das Erwachen des Geistes.
    Es ist wie ein Schleier, der jede Nacht in meinem Kopf gelüftet wird , erklärte sie ihm eines Tages, bevor sie auf die Jagd ging. Den restlichen Tag grübelte Kailin darüber nach, wie ein Schleier einem Drachen von Nutzen sein konnte, bis er endlich begriff: Sie hörte längst seine

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