Der Drachenthron: Roman (German Edition)
zurückkehren, den du das Nest nennst, Kleiner Kailin. Jedenfalls noch nicht.
27
Der verbrannte Mann
D ie Lippen des toten Mannes bewegten sich auf einmal. Er stieß einen leisen Seufzer aus. Die Drachenritter wichen zurück, traten nervös von einem Bein aufs andere. Sollos hörte, wie sie leise miteinander tuschelten.
»Er gehört … äh … ganz Euch«, sagte der Alchemist. »Ich weiß allerdings … äh … nicht, wie lange er durchhalten wird. Er ist noch nicht lange tot, also habt Ihr, nun ja, vielleicht eine halbe Stunde.«
Reiter Semian betrachtete den Toten mit einer Mischung aus Entsetzen und Ekel. »Fragt ihn, was hier geschehen ist.«
»Ihr könnt ihn selbst fragen, wenn Ihr wollt, Reiter.«
Semian verzog angewidert das Gesicht. »Nein, Meister Huros. Ihr habt diese Abscheulichkeit begonnen. Ihr werdet sie auch zu Ende bringen. Die Söldner werden Euch beschützen. Wir gehen zum Fluss zurück.«
Der Alchemist zuckte mit den Achseln und schenkte seine gesamte Aufmerksamkeit dem Toten.
»Er hat andauernd davon gefaselt, dass der Drache zu ihm gesprochen hat«, sagte Sollos, als die Ritter verschwunden waren. »Es war die Weiße. Er hat behauptet, dass es keinen Reiter gegeben hat. Und dann sagte er etwas über jemanden namens Maryk. Keine Ahnung, wer das ist.«
»Lasst mich mit ihm allein, Söldner Sollos. Das ist nicht für eure Ohren bestimmt.«
Sollos schnaubte. »Ihr habt Ritter Semian gehört. Wir sollen auf Euch aufpassen.«
»Vielen Dank, doch das ist unnötig.«
»Meister Huros, die Wahrscheinlichkeit ist zwar gering, dass hier nach einem Drachenangriff Schnäpper und Wölfe herumlungern, aber man kann ja nie wissen. Mir persönlich würde es herzlich wenig ausmachen, wenn Ihr von einem Raubtier gefressen werdet, ich bin aber überzeugt, dass Reiter Semian hocherfreut wäre, uns die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben.«
Der Alchemist hob die Schultern. »Dann bleibt in Gottes Namen.« Er setzte sich und sah den Leichnam an. »Äh. Wie ist dein Name, Toter?«
»Biyr«, sagte der tote Mann. Sollos erschauderte. Der Tote sprach völlig normal. Er klang jetzt sogar viel klarer als vor einer halben Stunde, als er noch am Leben gewesen und von seinen schmerzhaften Verbrennungen gequält worden war.
»Nun, Biyr, was ist hier geschehen?«
»Ein Drache ist wie aus dem Nichts aufgetaucht. Wir waren völlig überrumpelt. Er hat alles niedergebrannt. Ich war ein Stück von unseren Hütten entfernt, als das Feuer herabprasselte.«
»Hast du den Drachen gesehen?«
»Ja.«
»Und … äh … welche Farbe hatte er?«
»Weiß.«
Der Alchemist nickte erfreut. »Konntest du sehen, wer auf ihm geritten ist?«
»Niemand ist auf ihm geritten.«
Huros runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Ah. Da muss doch … äh … ein Reiter gewesen sein. Vielleicht ist er dir bloß nicht aufgefallen? Hm … Wann hast du den Drachen bemerkt? Als er in der Luft war? Ist er gelandet?«
»Er ist im Fluss gelandet, nachdem er alles in Schutt und Asche gelegt hat. Da habe ich ihn dann auch gesehen, zwischen den Bäumen hindurch.«
»Hast du ihn in der Luft gesehen?«
»Nein.«
Der Alchemist nickte. »Na also. Äh … wer auch immer den Drachen geritten hat, hatte wahrscheinlich längst abgesessen. Außerdem ist die Sicht von hier durch die Bäume zum Fluss nicht besonders gut. Ich bin sicher, dass du etwas in der Größe eines … äh … Drachen klar und deutlich erkennen konntest, aber es wäre sehr leicht, einen Mann zu übersehen.«
»Niemand ist aufgestiegen, bevor er wieder losgeflogen ist«, flüsterte Sollos.
»Das liegt daran, dass er kein Geschirr hatte«, murmelte Kemir grummelnd. »Ich sag doch die ganze Zeit …«
»Er hat gesprochen«, murmelte der Tote.
Huros schüttelte den Kopf. »Drachen können nicht sprechen.«
»Er war in meinem Kopf. Ich habe ihn gehört. Er war auf der Suche nach Maryk.«
»Äh, nein. Du musst dich irren. Das kann nicht sein. Drachen können nicht sprechen.« Die Fingerknöchel des Alchemisten waren kreideweiß geworden.
»Wer ist Maryk?«, wollte Sollos wissen.
»Einer von uns«, erwiderte der Tote. »Der Drache ist seinetwegen gekommen.«
»Woher weißt du das?«
»Das hat er behauptet. Er ist wegen Maryk gekommen. Ich habe seine Stimme in meinem Kopf gehört. Sie war voller Hass und Wut.«
Der Alchemist rutschte nervös hin und her und legte die Stirn in Falten.
»War dieser Maryk hier?«, fragte Kemir.
»Ja. Er war in einer der
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