Der Dreissigjaehrige Krieg
ausgeschlagen mit rotem Leder? De Witte lässt die Räder rollen. In seinen Büchern trennt er die privaten und die staatlichen Ausgaben des Generalissimus so gut es eben geht. Dann naht die Frankfurter Herbstmesse des Jahres 1628. Die Messen jener Zeit sind nicht nur Handels- und Informationsbörsen, sondern auch Zahlungstermine. Zur Messe werden Wechsel fällig; wer pünktlich zahlt, festigt seinen guten Ruf. Wehe, wenn einer nicht zahlen kann.
Wallenstein ist inzwischen ein ziemlich säumiger Schuldner. Aber das bringt nicht ihn, sondern de Witte in Not. Denn nur wenn der Bankier das Geld, das er sich überall in Europa geliehen hat, zurückzahlen kann, bleibt er kreditwürdig. Und nur, wenn er kreditwürdig ist, kann er sein Geschäft betreiben. De Witte bedrängt Wallenstein ein ums andere Mal, seine Schulden zu begleichen, er schildert ihm seine »äußerste Not«. Den Frankfurter Messetermin übersteht er noch. Aber die Not hält an. Denn das große Räderwerk der Kriegsfinanzierung stockt überall. Wallenstein gelingt es nur mit Mühe, oft auch überhaupt nicht mehr, die fälligen Kontributionen einzutreiben. Immer mehr Städte und Länder sind ausgepresst. Wismar zum Beispiel: Ein Oberst, den der Feldherr samt einer rauen Schar Musketiere dorthin beordert hat, um die einst reiche Hansestadt zum Zahlen zu zwingen, meldet ihm: »Wismar ist halb ausgestorben, dahero von ihnen auch nichts zu bekommen.«
De Witte blickt in den Abgrund. Längst muss er Wucherzinsen zahlen, um den Geldkreislauf irgendwie in Gang zu halten. Anfang 1630 sieht er sich genötigt, Teile seines Grundbesitzes zu verkaufen. Aus dem stolzen Bankier ist ein verzweifelter Finanzjongleur geworden. Am 13. August 1630 wird Wallenstein aus dem kaiserlichen Dienst entlassen. Als de Witte davon hört, weiß er sofort: Das ist das Ende. Denn wer würde an einen Ex-Generalissimus noch Kontributionen zahlen? Er sei, schreibt de Witte an Wallenstein, »über alle Maßen bestürzt«. Angesichts der Lage müsse er seine Vorauszahlungen nun einstellen.
Wallenstein schäumt. In dem, was einfach nur folgerichtig ist, wittert er Verrat: Dieser Geldhändler sei doch ein »ehrvergessener Schelm«. Hans de Witte, der sich »einen betrübten und ganz bekümmerten Mann« nennt, zieht jetzt einen Schlussstrich. Noch einmal schreibt er an den Kaiser, seinen alten Fürsprecher, dann verlässt ihn der Mut. In der Nacht vom 10. auf den 11. September stürzt er sich in den Brunnen hinter seinem Haus in der Brückengasse und ertrinkt.
ELLIPSE NOW
Einige Jahre vor Kriegsausbruch entdeckte Johannes Kepler,
auf welchen Bahnen die Planeten um die Sonne kreisen.
Doch der geniale Astronom blieb ein Außenseiter –
Geld verdiente er eher mit Horoskopen.
Von
Frank Thadeusz
A uf dem Boden Europas toben im Jahr 1631 grausige Gemetzel, doch am Himmel offenbart sich ein wissenschaftlicher Triumph. Unbemerkt vom größten Teil der Menschheit wandert im November ein winziger schwarzer Punkt vor die Sonne. Nur ein einziger wacher Geist wird Zeuge des Spektakels. Der französische Naturwissenschaftler Pierre Gassendi hatte sich mit einem Guckrohr auf die Lauer gelegt und den Transit des Merkur erwartet. Dass der kleinste Planet des Sonnensystems zu dieser Zeit sichtbar an der Sonne vorbeiziehen würde, war von dem süddeutschen Astronomen Johannes Kepler vorausgesagt worden.
Keplers Prophezeiung beruhte nicht auf schwarzer Magie, sondern auf knallharter Mathematik – und einer wegweisenden Erkenntnis: Nämlich der, dass die Planeten auf ellipsenförmigen Bahnen um die Sonne ziehen. Mit solcher Weisheit beschenkte der spindeldürre Sternendeuter die Welt zu einer Zeit, als die Mehrzahl seiner Kollegen noch von einer im Zentrum des Universums ruhenden Erde ausging. Dass unser Heimatplanet mit, wie wir heute wissen, mehr als 100.000 Stundenkilometern durchs All braust, war den Zeitgenossen Keplers völlig unvorstellbar.
Mit dem Segen der Kirche lehrten Wissenschaftler weiterhin, der Kosmos arbeite wie ein gewaltiges Uhrwerk. Recht phantasievoll hatten sich die Experten ausgemalt, dass die Planeten in Kugelschalen aus Kristall aufgehängt seien. Dieser Ansicht widersprach Kepler vehement, zum Schaden seiner ohnehin nicht allzu glanzvollen Karriere. Als Gassendi den Winzling Merkur an der Sonne vorbeiziehen sah, war Kepler schon ein Jahr tot. Dass sich seine Berechnungen als richtig herausstellten, hob seinen Nachruhm zunächst nicht spürbar.
Selbst postum schien der
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