Der Dreissigjaehrige Krieg
Jahre immer wieder Truppen ziehen. Dreißigmal muss Heberle mit seiner Familie deshalb in die Schutz bietende Stadt fliehen. Um den Überblick zu behalten, nummeriert er die Fluchten in seinen Aufzeichnungen irgendwann durch.
Wie Heberle erzählen viele Tagebuchschreiber von einem Leben in ständiger Unsicherheit, immer auf dem Sprung: »Morgens den 6. Dezember, als der Tag angebrochen, hören wir unversehens Schüsse und in der Gasse Schreien, der Feind breche zu den Toren ein. Ein Geistlicher schreit uns zu, wir sollen uns eilends nach St. Walburg zurückziehen. Die Subpriorin läuft mit einer Schwester gleich im Schrecken fort und kommt noch sicher ins Kloster. Aber ich und die meisten, die mit und nach mir gelaufen sind, gehen dem grimmigen Feind mit gezücktem Gewehr und Büchse in die Hände, sie laufen und reiten gegen uns, begehren Geld oder das Leben« , schildert Klara Staiger, Priorin des Augustinerinnen-Konvents Mariastein bei Eichstätt 1633 in ihrem Tagebuch einen Überfall schwedischer Truppen.
Wie riesige Walzen rollen die Heere über das Land, ziehen immer mehr Menschen mit sich: Umfasst ein Regiment mitsamt Begleittross aus Händlern und Frauen bei Ausbruch des Krieges etwa 7000 Personen, sind es gegen Ende 140.000. Wer kann, flieht, bevor die Heere kommen. Hinter sich lassen die durchströmenden Massen ausgepresstes Land, denn versorgen müssen sich die Heere aus der Gegend, durch die sie ziehen.
Täglich habe man 12.400 Pfund Brot, 9300 Pfund Fleisch, 6200 Maß Bier, 2 Fässer Wein und allerhand Gewürze ins Heerlager schaffen müssen, notiert 1626 Volkmar Happe, Hofrat in Diensten des Grafen Christian Günther von Schwarzburg-Sondershausen in Nordthüringen. Happe, zu Beginn des Krieges 30 Jahre alt und frisch verheiratet, muss die Abgaben und Kontributionen aus der Grafschaft möglichst gerecht verteilen; in seinen privaten Aufzeichnungen dokumentiert er deshalb akribisch, welches Dorf bereits Leistungen erbracht hat, wo schon Soldaten einquartiert waren: »In manchem Dorfe haben fünf, sechs Regimenter gelegen, in manchem kleinen Bauernhaus eine ganze Kompanie. Die haben wie die Raupen alles beschmutzt, aufgefressen, verfüttert, verwüstet und vernichtet.«
Weitaus schlimmer noch ist es, wenn die Soldaten plündernd in Dörfer und Städte einfallen, die Ernten vernichten und die Frauen vergewaltigen. Beiläufig nüchtern klingt so ein Überfall auf Landshut in den Notizen des Söldners Peter Hagendorf: »Hier sind wir 8 Tage stillgelegen, haben die Stadt ausgeplündert. Hier habe ich als meine Beute ein hübsches Mädelein bekommen und 12 Taler an Geld, Kleider und Weißzeug genug.«
Für die Bevölkerung auf der anderen Seite sind solche Raubzüge eine Tortur; kaum ist ein Heer abgezogen, rückt oft gleich das nächste nach, wie Volkmar Happe 1631 festhält: »Es ist in diesem Monat alle Tage in allen Dörfern geplündert worden, und das Weibsvolk, das ergriffen wurde, ist geschändet worden. Der Jammer ist gar nicht zu beschreiben.«
Siebenmal wird allein im Jahr 1637 das Dorf Stausebach in der Nähe von Marburg an der Lahn geplündert, wo der Bauer Caspar Preis gemeinsam mit seiner Frau Gerdraut einen Hof bewirtschaftet, und auch in den Jahren danach wurden sie nicht verschont: »Die Dörfer wurden verbrannt und abgerissen und ins Lager gebracht, denn mit dem Holz mussten [die Soldaten] backen und brauen. In Stausebach wurden 41 Gebäude abgerissen. 27 blieben noch stehen. Es gab nicht einen einzigen Hof, der ganz geblieben wäre. Sie haben überall die Dächer abgerissen und innen alles so zerhauen und verwüstet, dass kein Mensch darinnen hätte bleiben können. Mir wurden auch drei Gebäude abgebrochen« , hält der Bauer in seinen Aufzeichnungen fest.
Besonders hart trifft die Bauern, dass die Söldner alle Pferde einziehen, derer sie habhaft werden – Hofrat Happe etwa verliert 1637 innerhalb von neun Monaten 20 Tiere –, denn ohne die Arbeitstiere ist die Landwirtschaft fast lahmgelegt. »Es ist leider dahin gekommen, dass sich die armen Leute selbst in den Pflug spannen, dass sie [die Felder] nur ein wenig bestellen, das meiste bleibt unbestellt liegen« , klagt Happe.
Dem Schuster Heberle, der in seinem Dorf bei Ulm auch eine kleine Landwirtschaft betreibt, stehlen schwedische Truppen im August 1634 alle Tiere, obwohl er und die anderen Bauern sich verzweifelt wehren: »Nach diesem Rauben und Plündern, das wir mitten in der Erntezeit ausgestanden haben, haben wir die
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