Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dreissigjaehrige Krieg

Der Dreissigjaehrige Krieg

Titel: Der Dreissigjaehrige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper Johannes Saltzwedel
Vom Netzwerk:
aber der vermeintliche Triumph als eine katastrophale moralische Niederlage, die das Andenken Tillys bis auf den heutigen Tag trübt.«
    An einer vollständigen Zerstörung der eingenommenen Stadt hatte Tilly gar kein Interesse haben können, gingen ihm doch auf diese Weise eine wichtige Versorgungsbasis und ein militärischer Stützpunkt im Kampf gegen den schwedischen König Gustav Adolf verloren. »Statt der erhofften Einschüchterung« hätten nun »Kursachsen und die übrigen evangelischen Reichsstände sich in ihren Defensivmaßnahmen bestärkt« gesehen – genau das Gegenteil des Erwünschten. Tilly hatte also einen Pyrrhussieg errungen, der bis auf den heutigen Tag sein Ansehen schädigt und letztlich in die nahende Niederlage führte. Dabei hatte alles danach ausgesehen, dass dieser Mann mit internationalem Familienhintergrund als einer der glänzendsten Taktiker der Epoche in die Annalen eingehen würde.
    Geboren wurde er als Jean T’Serclaes Baron de Tilly et Marbais im Februar 1559 in den katholischen, der spanischen Kontrolle unterstehenden Niederlanden – entweder in Brüssel, in Lüttich oder aber auf dem Stammschloss der Familie zwischen Nivelles und Gembloux im Süden der Provinz Brabant; das ist bis heute umstritten. Seine Mutter, Dorothea von Schierstädt, stammte vom ostpreußischen Gut Heselecht bei Neidenburg und wurde von dort als Ehrendame an den Hof der in Brüssel geborenen Königin Maria von Ungarn geschickt, die seit 1531 Statthalterin der Spanischen Niederlande war. Sein Vater Martin war Mitglied des niederen wallonischen Adels – immerhin Abkömmling eines Geschlechts, das sich rühmte, einen normannischen Krieger hervorgebracht zu haben, der Wilhelm dem Eroberer bei der Unterwerfung Englands zur Seite gestanden hatte; ebenso einen Rebellen, der einen Aufstand gegen den Herzog von Brabant angezettelt hatte. Martin selbst hatte in Livland als Offizier gegen die Russen Iwans des Schrecklichen gekämpft.
    Es waren unruhige Zeiten, in die Johann und sein älterer Bruder Jakob hineingeboren wurden. Von 1557 bis 1559 tobte einer der vielen Kriege zwischen Spanien und Frankreich um die Vorherrschaft in Europa. Und auch in den Spanischen Niederlanden hatten immer wieder lokale Fürsten gegen die Herrschaft des katholischen Eiferers Philipp II. revoltiert – teils aus machtpolitischen, teils aus religiösen Gründen oder auch nur in Auflehnung gegen Philipps grausamen Kommissar, den Herzog von Alba. 1579 spalteten sich die Nordprovinzen als protestantische Union von Utrecht ab. Unter Albas Bannfluch war irgendwann auch Martin Tserclaes von Tilly gefallen, weil er den »Kompromiss von Brüssel« unterzeichnet hatte – eine in den Augen der Spanier hochverräterische Petition, in der die Abschaffung der inquisitorischen Gerichtshöfe und eine Milderung der Ketzergesetze gefordert wurde. Tilly senior rettete seine Haut, indem er mit seiner Familie aus Albas Machtbereich floh.

    Quelle: AKG
    Feldherr Tilly
    (Zeitgenössisches Ölporträt)
    Möglicherweise »zur Buße für die Hochverräterei Martins und vielleicht auch als Geiseln für späteres Wohlverhalten« schickte seine Frau die Kinder auf eine Jesuitenschule; so mutmaßt zumindest der Jurist und Historiker Bernd Rill in seiner Biografie Tillys. Die Jungen kamen zunächst in eine Schule in Châtelet, später in Köln. Wurden schon hier die Weichen für den späteren Weg Johanns als stramm katholischer Feldherr gestellt? Tilly habe »seine ersten Lebensjahre in Waffenlärm und Glaubensverfolgung verlebt, im Banne der beginnenden, habsburgisch gelenkten Gegenreformation«, so Rill. »Das Zeitalter war eisern, und es war gleichzeitig fromm und glaubenseifrig – man könnte eine Parallele zum Lebensgefühl mittelalterlicher Ordensritter ziehen.«
    Noch in der Schule wurden ihm Drill und Katholizismus eingeimpft, war ja der Orden Jesu seinerzeit oft wenig mehr als eine Art fromme Wehrsportgruppe mit »paramilitärischer Disziplin« (Rill). Kein Wunder, dass der früh gestählte Tilly bereits mit 17 Jahren in die spanische Armee eintrat, wo er im Regiment des Octavio von Mansfeld das Kriegshandwerk erlernte. Nach sieben Jahren Gamaschendienst war er reif für die eigentliche Militärlaufbahn. Nun begannen seine Wanderjahre auf den Schlachtfeldern der Zeit: im Kölnischen Krieg für den Katholiken Ernst von Bayern (1583), in der lothringischen Armee gegen die Hugenotten (Anfang der 1590er Jahre), im Langen Türkenkrieg der österreichischen

Weitere Kostenlose Bücher