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Der Dreissigjaehrige Krieg

Der Dreissigjaehrige Krieg

Titel: Der Dreissigjaehrige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper Johannes Saltzwedel
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die andere Frage unterdrückte der Schmerz), so war die Antwort: Wo Gott und unser Schutzengel uns hinführt, ich weiß es noch nicht. Und so mag es auf allen Straßen ausgesehen haben.«
    Nicht einmal das Eintreffen von kaiserlichen und bayerischen Truppenteilen brachte Abhilfe, weil man »die Feinde und Freunde, die Französisch-Schwedischen Freibeuter und die Kaiserlichen Emissarios nicht mehr unterscheiden konnte, weil die Kaiserlichen ärger als die Schweden verfuhren«. Für Zivilisten wurde das Leben zur Hölle. »Wer sich nicht schon vorhin weit hinweg geflüchtet hatte, der musste sich jetzt in Wäldern und finstern Abwegen verbergen«, schrieb Maurus Friesenegger. »Sie raubten, plünderten und marterten ohne zu denken, dass sie Menschen sind und mit Menschen umgehen. Ohne Unterschied des Alters und des Geschlechts banden sie die Menschen, entblößten sie ganz und schändeten die einen zu Tode und die anderen jagten sie bei sehr kalter Herbstzeit ganz nackend von sich. Solche Bestien machet der anhaltende Krieg aus den Menschen!«
    Selbst nach dem Ulmer Waffenstillstand 1647, als bayerische Truppen wieder die Kontrolle übernehmen konnten, besserte sich die Lage nicht wesentlich, weil auch die neuen Machthaber übel hausten. 1648 begann der Krieg gar von neuem. »Nun hatten wir 4 Armeen um uns, die baierische und kaiserliche, und die schwedische und französische«, klagte Friesenegger im Oktober. »Übrigens war es hart, zu bestimmen, welche Partei die ärgere wäre. Es kamen Rotten an und gingen wieder ab, ohne zu wissen, wer sie wären, Freund oder Feind, freilich keiner ohne allen Schaden.« Zuletzt eroberten schwedische Truppen noch weite Teile Böhmens; die Belagerung Prags wurde lediglich abgebrochen, weil die Friedensverhandlungen schon zu weit vorangeschritten waren.
    Hingen all die vom Machtkalkül diktierten Manöver dieser letzten Jahre überhaupt noch miteinander zusammen? Der Historiker Siegfried H. Steinberg verkündete 1947 die radikale These, den Dreißigjährigen Krieg habe es überhaupt nicht gegeben, sondern nur eine Abfolge regional begrenzter Auseinandersetzungen innerhalb eines weiteren Horizonts europäischer Kriege bis 1660. Für einzelne Regionen trifft diese ketzerische Deutung erstaunlich gut zu. Nach Frauenchiemsee im Osten Bayerns etwa kam der Krieg in 30 »Kriegsjahren« nur zweimal: 1632 bis 1634, als die Schweden große Teile Bayerns eroberten und katholische Adlige und Geistliche aus ganz Süddeutschland an der österreichischen Grenze Zuflucht suchten, und dann wieder 1646 bis 1648.
    »Mit ganzer Macht« seien Franzosen und Schweden »auf unser liebes Vaterland gezogen, auch etliche Städte, Märkte, Klöster, Kirchen, Schlösser und Dörfer in Aschen gelegt, die Leute erbärmlich gemartert, die Klosterfrauen und geistliche Herren erbärmlich umgegangen, so dass viele sich in die Wildnis, in Moose und Höhlen flüchteten und erbärmlich umkamen«, berichtet Äbtissin Haidenbucher, damals 71. »Ist ein solches Elend gewesen, dass bei Mannsgedenken kein solches Elend gewesen wie in dieser Not, und wegen des Winters war die Flucht desto elender. Viele Personen und besonders Kinder sind erfroren, verhungert und erbärmlich umgekommen.« Im Frühjahr 1648 zogen sich viele nochmals »in die Wälder und Wildnisse« zurück, »so dass sie nicht mehr anders ausgesehen haben wie die wilden Leute, bis auf die Knochen abgemagert und die Haut ganz schwarz und gelb. Sie wollten nur noch, die Erde würde sie verschlingen. Und viele Leute haben verzweifelt« – während der Kurfürst bis zur Nachricht vom Friedensschluss Ende Oktober in Salzburg Zuflucht fand.
    Von den ursprünglichen Motiven des Konflikts war am Ende so gut wie nichts mehr übrig. In den letzten 13 Jahren hatten Katholiken gegen Katholiken, Lutheraner gegen Lutheraner und Calvinisten gegen Calvinisten gekämpft. Die Religion hatte als Kriegsgrund in Europa ausgedient. Bedauerte Gryphius 1636 noch den Gewissenszwang, so fasste jetzt ein anderer schlesischer Poet, Friedrich von Logau, die Kriegserfahrung illusionslos zusammen:
    Abgedanckte Soldaten
    Würmer im Gewissen,
    Kleider wol zerrissen,
    Wolbenarbte Leiber,
    Wolgebrauchte Weiber,
    Ungewisse Kinder,
    Weder Pferd noch Rinder,
    Nimmer Brot im Sacke,
    Nimmer Geld im Packe,
    Haben mit genummen,
    Die vom Kriege kummen:
    Wer dann hat die Beute?
    Eitel fremde Leute.
    Manche Teile des Kontinents waren zerstört, einige mussten sogar neu besiedelt werden. Aber man darf auch

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