Der Dreissigjaehrige Krieg
Schlacht. Sie könnte das Ende aller schwedischen Hoffnungen im europäischen Machtkampf besiegeln. Nach dem Prager Frieden von 1635 droht von den glanzvollen Eroberungen Gustav Adolfs nur wenig zu bleiben. Schwedens Verbündeter Johann Georg von Sachsen, Haupt der deutschen Protestanten, hat sich mit dem katholischen Kaiser verständigt. Fast alle Reichsfürsten haben sich verpflichtet, »nicht zu ruhen, bis die Feinde aus teutschen Landen vertrieben« sind. Das bedeutet, auch im Nordosten des Reiches aufzuräumen, wo die Skandinavier noch stark sind.
Frisch rekrutierte kaiserliche Truppen haben sich im Frühjahr 1636 bei Eisleben mit der sächsischen Armee vereinigt. Angeführt von Feldmarschall Melchior von Hatzfeldt und Kurfürst Johann Georg, haben die Kaiserlichen dann Banér aus seinem Winterquartier bei Magdeburg verjagt. Mit kleineren Eroberungen und Scharmützeln sind die Frühjahrs- und Sommermonate dahingegangen. Die Heerführer halten ihre Truppen in Bewegung, sie belauern einander wie tänzelnde Schwergewichtsboxer. Jede Seite kontrolliert einen der strategisch wichtigen Elbübergänge am Mittellauf des Flusses: Die Schweden sitzen in Dömitz, ihre Gegner haben eine Pontonbrücke in Sandau festgemacht.
Zu Beginn der Herbstzeit hat Banér schon einmal die Entscheidung gesucht. Doch es ist ihm nicht gelungen, die Kaiserlichen aus ihrem verschanzten Lager bei Perleberg herauszulocken. Nun also, Ende September, haben Hatzfeldt und der Sachse ihre Befestigung verlassen und sich auf den Weg nach Osten gemacht. Ein Wettlauf zweier Heere hat begonnen, den Banér unbedingt gewinnen muss. Und er gewinnt ihn. Die Kaiserlichen kommen nur bis Wittstock. Dort, in den Hügeln südlich des alten Städtchens an der Dosse, bringen sie ihre Kanonen in Stellung und verschanzen sich nach allen Regeln der Kunst. Nicht nur Höhenzüge und Wälder bieten ihnen Schutz. Auch die Natteheide mit ihren Sümpfen versperrt Angreifern den Weg. So günstig, wie das Gelände für sie ist, könnte es sein, dass die kaiserlichen Kommandeure ihre Stellung für uneinnehmbar halten. Die Historikerin Antje Zeiger, die das Museum des Dreißigjährigen Krieges in Wittstock leitet, sagt: »Diese Truppenaufstellung zeugt vor allem von Imponiergehabe.« Zu einem Schlagabtausch mit den Schweden soll es gar nicht erst kommen, wie schon zuvor bei Perleberg.
Banér aber ist fest zum Kampf entschlossen. Den weit und breit einzigen Übergang über die Dosse, den der Feind zerstört hat, lässt er in Windeseile herrichten, mehr Steg als Brücke. Am 4. Oktober marschieren seine Männer – Fußsoldaten, Kanoniere, Reiterei – über den Fluss, Stunde um Stunde bis zur Mittagszeit. Noch am selben Tag soll die Schlacht beginnen. Der Jenaer Historiker Georg Schmidt nennt sie »eine der wichtigsten Schlachten des Krieges«. Wie stark die Heere sind, die vor Wittstock aufeinandertreffen, ist bis heute umstritten – niemand weiß sicher, auf welcher Seite mehr Söldner unter Waffen standen. Die Kommandeure rechnen ihre Truppen gern klein, den Feind dagegen groß, das mildert die Schmach einer Niederlage und verleiht einem Sieg zusätzlichen Glanz.
Akribisch hat der britische Militärhistoriker William P. Guthrie die Stärke der beteiligten Regimenter rekonstruiert und zusammengezählt. Ihm zufolge sind die Kaiserlichen am 4. Oktober 1636 leicht überlegen, mit 18.622 Mann gegenüber 17.980 schwedischen Kämpfern. In beiden Heeren ist laut Guthrie mehr als die Hälfte der Truppe beritten, anders als in den frühen Schlachten des Krieges, in denen die Infanterie klar überlegen war.
Schnelle, giftige Attacken mit der Kavallerie sind eine Spezialität Banérs. Der Schwede hat einen hochriskanten Plan gefasst: Er will den Feind in die Zange nehmen. Seine Hauptstreitmacht führt Banér gegen den linken Flügel des Gegners, dort wo die Sachsen stehen; der treulose Kurfürst Johann Georg ist ihm besonders verhasst. Er selbst setzt sich mit seiner Reiterei an die Spitze, unterstützt von seinem Vertrauten Lennart Torstensson und dem schottischen Feldmarschall Alexander Leslie. Seinen eigenen linken Flügel schickt Banér auf einen Umgehungsmarsch: Er soll dem Feind von Westen her in den Rücken fallen. Die Einheiten seines deutschen Generals Dam Vitzthum von Eckstädt bleiben in Reserve.
Die Kaiserlichen werden von dem Flankenangriff der Schweden zwar überrascht, reagieren aber schnell. Feldmarschall Hatzfeldt verschiebt seine Aufstellung und stürmt dem Feind
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