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Der Dreissigjaehrige Krieg

Der Dreissigjaehrige Krieg

Titel: Der Dreissigjaehrige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper Johannes Saltzwedel
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(Burckhardt) auf seinem Rappen reitend, die soldatische Rüstung über dem geistlichen Purpurgewand, bietet ein furchterregendes Bild. Er wird oft vom König begleitet, während er selbst die Arbeiten am Damm beaufsichtigt. Richelieu feuert die im eiskalten Wasser werkelnden Soldaten und Bauern nicht nur mit Zurufen an, sondern auch mit regelmäßigen Lohnerhöhungen. Das Sperrwerk gelingt trotz winterlicher Witterung. Die nur halbherzig kämpfenden, unzureichend gerüsteten Engländer auf der Île de Ré müssen weichen. Nun wird es bitter für die belagerten Städter. Allein in sechs Monaten sterben 8000 Menschen an Hunger oder Krankheiten. Die Ausharrenden, die noch das Gras zwischen den Pflastersteinen essen und zuweilen Fleischstücke aus den Leichen reißen, schaffen es bald nicht mehr, ihre Toten zu begraben.
    Manche Frauen schleichen sich in der Dämmerung zu den vordersten Linien der Belagerer und bieten für ein Stück Brot Liebesdienste an. Jedem Soldaten, der darauf eingehe, droht Richelieu an, dass er gerädert werde. Überhaupt waltet im Heer strenge Disziplin. Plündern ist grundsätzlich verboten. Der Kardinal überwacht die Hygiene seiner Leute: Sie müssen regelmäßig zur Messe gehen, aber sie bekommen auch regelmäßig Gratis-Brot und ihren Sold – auf die Hand, ohne Mitwirkung von Vorgesetzten, die sonst gern ein paar Prozente abgezweigt hätten.
    Als die Stadt gefallen ist, wird sie ebenso diszipliniert besetzt, wie sie erobert wurde. Schweigend marschieren die Truppen ein, es gibt keine Gewalttaten. Von den ehemals 28.000 Einwohnern leben noch etwa 5500. Der Kardinal zelebriert die Messe und führt den katholischen Ritus wieder ein. Mauern und Türme werden geschleift. Ins Rathaus zieht die königliche Verwaltung, in die Kasernen rücken vier königliche Regimenter ein. Der tapfere Bürgermeister muss seine Vaterstadt für immer verlassen. Die Ratsglocke wird eingeschmolzen. Immerhin: Die übriggebliebenen Bürger dürfen Leben und Eigentum behalten; sogar der protestantische Ritus wird toleriert.
    Gegenreformatorische Eiferer hatten eine schärfere Bestrafung gefordert. Doch Richelieu konnte den König mit dem Argument erweichen, »größer« als der Sieg im Waffengang werde »sein Sieg über sich selbst erscheinen, wenn er nun verzeiht«. Ironie der Geschichte: Kurz nach der Kapitulation der Stadt zerstört ein gewaltiger November-Sturm den Sperrdamm, ohne den die Königlichen La Rochelle kaum besiegt hätten. Nach dem Fall La Rochelles lässt Richelieu auch die anderen militärischen Bastionen der Hugenotten auflösen. Die widerspenstigen Protestanten im Süden sind fortan kaum noch ein militärisches Problem. Die Autorität des Königs gilt unangefochten. Richelieu hat »alles gewagt und alles gewonnen«, resümiert Uwe Schultz in seiner Biografie des Kardinals.
    Die nächste, kaum weniger gefährliche Aufgabe ist außenpolitischer Art. Schon Heinrich IV . hat »die habsburgisch-spanische Einkreisung« mehr gefürchtet als alles andere, heißt es doch: »Wenn Spanien sich regt, zittert der Erdkreis.« Spanien, das ist in dieser Zeit mehr als die Iberische Halbinsel mit Kastilien, Aragón, Navarra und Portugal; dazu gehören auch Mailand, das Königreich Neapel mit Sizilien und Sardinien, die Spanischen Niederlande, die Franche-Comté, die amerikanischen und die (von Portugal übernommenen) afrikanischen und asiatischen Kolonien. Über die Familienbande sind auch Österreich, Ungarn und Böhmen der Sphäre des katholischen Imperiums zuzurechnen.
    An der langen, offenen Ostflanke des französischen Königreichs droht diesem zunächst keine Gefahr. Deutschland ist mit sich beschäftigt, es blutet im Dauerzwist zwischen Protestanten und Katholiken. Richelieu unterstützt finanziell massiv den schwedischen König Gustav II . Adolf; der Schwede und die deutschen Protestanten machen dem Herrscher in Wien genug zu schaffen, denkt der Kardinal eine Weile. Er rät zur offiziellen Neutralität und zur heimlichen Unterstützung der Feinde des Kaisers. Auf diese Weise könne der König, so Richelieu, »sein Reich bis an den Rhein ausdehnen, ohne einen Schuss abgegeben zu haben«.
    Doch nach Gustav Adolfs Schlachtentod 1632 und dem Sieg der Kaiserlichen bei Nördlingen 1634 wird die Lage bedrohlicher. Richelieu rät dem König nun, direkt einzugreifen. In einem Memorandum legt er dar: Wenn die Partei der Protestanten am Boden liege, werde die »Macht des Hauses Österreich auf Frankreich fallen«.

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