Der Dreissigjaehrige Krieg
starke Beanspruchung durch lange Märsche mit schwerem Gepäck hin. Spuren von Syphilis finden sich ebenfalls. Neben älteren, verheilten Verletzungen weisen viele Knochen naturgemäß frische Läsionen auf, Brüche ebenso wie Trümmerfrakturen oder Einschusslöcher.
Wie brutal es im damaligen Nahkampf zuging, zeigt sich zum Beispiel am Skelett eines Söldners, der mit Anfang 20 auf dem Schlachtfeld verschied. Eine Musketenkugel bohrte sich in seine Schulter und blieb im Knochen stecken. Rechts am Kopf traf ihn der Hieb einer Hellebarde und spaltete den Schädel. Von vorn fuhr ihm ein Dolch in die Gurgel und sprengte ein Stück des zweiten Halswirbels ab. Als er bereits tödlich getroffen am Boden lag, zertrümmerte ihm ein schwerer Hieb, vielleicht von einem Pferdehuf, den Unterkiefer. Immerhin waren die verblichenen Söldner gut genährt. Ihre Zähne weisen zumeist wenig Karies sowie geringe Abnutzung auf. Daraus und aus der Zusammensetzung ihrer Rippenknochen ergibt sich, dass sie mit reichlich Fleisch, Eiern und Milchprodukten versorgt waren. Allerdings zeigt die gründliche Untersuchung auch, dass mehr als zwei Drittel der Truppe in der Kindheit mit Hunger und heftigen Krankheiten zu kämpfen hatten.
Und noch etwas haben die Wissenschaftler nachgewiesen: Das schwedische Heer war ein multikultureller Haufen. Strontium- und Sauerstoff-Isotope, die in den Knochen eingelagert sind, geben bei mehr als einem Fünftel der Toten einen ziemlich genauen Hinweis auf ihre Herkunft. Für das Königshaus in Stockholm kämpften Schweden, Finnen, Schotten, Balten und Deutsche bis an ihr jämmerliches Ende.
GOTTESMANN IM HARNISCH
Mit dem Weitblick des Strategen stärkte
Kardinal Richelieu die Macht Frankreichs – erst im
erbitterten Kampf gegen die Hugenotten, dann
auch auf den europäischen Schlachtfeldern.
Von
Mathias Schreiber
S eine sanftmütige Mutter wurde von einem zeitgenössischen Dichter mit einer Taube verglichen; er selbst, der »unheimliche Kardinal«, wie sein Biograf Carl Jacob Burckhardt (1891 bis 1974) ihn nennt, wirkte daneben eher wie ein Raubvogel. Burckhardt bescheinigt ihm »falkenhafte Treffsicherheit«, obgleich er die mütterliche Herzensgüte ganz besonders zu schätzen wusste und aus dieser Beziehung selbst eine auffällige seelische Weichheit bewahrte. Richelieu kam als schwächliches Muttersöhnchen zur Welt und wurde zu einem der kantigsten, willensstärksten Politiker Europas. An der Seite von König Ludwig XIII . schaffte er es, dem heruntergekommenen, innerlich zerrissenen Frankreich eine zentralistische Ordnung zu geben. Frankreich musste im 16. Jahrhundert nicht weniger als acht Religions- und Bürgerkriege verkraften. Durch Richelieus Konsolidierungswerk wurde das Land, das lange Distanz zum blutigen Wirrwarr östlich des Rheins gehalten hatte, noch ein Hauptakteur im Dreißigjährigen Krieg.
Burckhardt rühmt Richelieu als ein außerordentliches »politisches Genie«. Doch wer war dieser seltsame Kardinal, der die Protestanten im eigenen Land bekriegte, aber mit den protestantischen Regionalmächten östlich des Rheins gegen die katholischen Habsburger paktierte? Als der 21 Jahre junge Richelieu 1606 dem Oberhaupt der katholischen Kirche seine Aufwartung machte, um seiner Jugend zum Trotz die Bischofsweihe zu ergattern, charakterisierte ihn Papst Paul V . wohlmeinend skeptisch als »großes Schlitzohr«, »un gran furbo«. War das sein Erfolgsgeheimnis?
Viel haben die Widersprüche mit seiner Herkunft zu tun. Er kam aus ärmlichem Landadel und erreichte in kürzester Zeit schwindelerregende Karrierehöhen. Er musste sehr bald mehr scheinen, als er je gewesen war. Das führte zu Übertreibungen, etwa im prunkvollen Ausmaß einiger seiner sechs Residenzen. Auf dem Höhepunkt seiner Macht am Hof, im Jahr 1639, verfügte allein der »kleine Stall« Richelieus – es gab noch einen zweiten, großen – über 72 Reitpferde, 16 Kutschpferde, 16 Maulesel, versorgt von 13 Pagen, 10 Dienern, 33 Kutschern, Boten und Stallburschen.
Geboren worden war Armand-Jean du Plessis de Richelieu 1585 in Paris, als viertes von fünf Kindern. Sein Vater war ein königstreuer Höfling und Soldat. Unter dessen Vorfahren finden sich ein harmloser Hofapotheker und ein diebischer, ewig trunkener Ex-Mönch, der 1562 als Söldnerführer eine Scheune, in der mehrere hundert Hugenotten Gottesdienst feierten, abfackeln und alle, die vor den Flammen fliehen konnten, abschlachten ließ. Erst auf einen Sohn dieses
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