Der Dreissigjaehrige Krieg
Deshalb müsse den Protestanten »sofortige und dauerhafte Hilfe« gewährt werden. Während Richelieu so einerseits zum Krieg rät, erlebt ein Sonderbotschafter des Papstes völlig anderes: Vor ihm begeistert sich der Staatsmann wortgewaltig für die Friedensidee. Unter Tränen habe Richelieu versichert, »er gäbe seinen Arm darum, ihn (den Frieden) zu erhalten«. Da war sie, die berüchtigte Verstellungskunst des Kirchenmannes: Gerade wenn er weinte, war er »weit von der Wahrheit entfernt, eher verriet er mit seinem Spott, was er dachte« (Uwe Schultz).
Überraschend liefert die habsburgische Seite am 26. März 1635 eine »iusta causa«, einen scheinbar rechtmäßigen Anlass zur Kriegserklärung. Spanisch-niederländische Truppen besetzen das unter französischem Schutz stehende Trier und nehmen den Fürstbischof Philipp von Sötern gefangen. Richelieu handelt prompt. Am 15. Mai überreicht ein wappenbewehrter Herold in mittelalterlicher Tracht, begleitet von einem Trompeter, in Brüssel die offizielle französische Kriegserklärung. Da niemand in der Habsburger-Hochburg die Urkunde entgegennehmen will, werfen die Abgesandten sie in die vor dem Stadttor versammelte Menge; sofort lassen die Brüsseler dem Volk untersagen, das Papier aufzuheben. Schließlich heften die Franzosen die Kriegserklärung an einen Grenzpfahl der Spanischen Niederlande, der Trompeter bläst dazu – so hat Richelieu es angeordnet.
Schon am 8. Mai überschreiten französische Truppen die Grenze zu Luxemburg. Die erste Schlacht tobt eine Woche später – exakt zum Datum der Kriegserklärung. 25.000 Franzosen attackieren 13.000 Spanier unter Prinz Thomas von Savoyen. 4000 Spanier fallen; die Franzosen erbeuten alle 16 Kanonen und 27 Fahnen des Gegners. Auch wenn das Kriegsglück Richelieu bisweilen im Stich lässt: Nach dem Sieg der verbündeten Schweden über die Kaiserlichen in Brandenburg können die Franzosen rechtsrheinisch bis zur Festung Breisach vorpreschen. Die südlich vom Kaiserstuhl auf einem steilen Felsen gelegene Bastion verteidigt sich zäh, fällt dann aber nach monatelanger Belagerung am 17. Dezember 1638.
Der Krieg gegen Spanien sollte noch bis 1659 andauern, also bis weit über das Ende des Dreißigjährigen Krieges und den Tod Richelieus hinaus. Wichtigster Grund: Die Spanier wollen Katalonien nicht an Frankreich abtreten; Frankreich hingegen, obwohl siegreich, ist nicht mächtig genug, dies militärisch zu erzwingen. Immer wieder bremsen regionale Aufstände wegen der stetig steigenden Steuern den Elan der Franzosen. Erst 1659 kann Paris im Pyrenäenfrieden die nordkatalanische Grafschaft Roussillon, ferner Territorien in den Spanischen Niederlanden und in Italien hinzugewinnen. Obwohl nach 1655 noch der Engländer Oliver Cromwell an Frankreichs Seite kämpft, bleibt das Kernland Kataloniens spanisch. Ob das auch am Fehlen Richelieus lag?
Schon in den Jahren 1641/42 ist der Stratege nur noch ein Schatten seiner selbst. Dem Vorstoß der französischen Truppen auf das spanische Perpignan folgt er nur bis Narbonne, wo er sein Testament macht. Auf Landwegen reist der Kranke in einem breiten Baldachin-Bett, das von 24 Männern getragen wird. Da dieses Bett durch keine normale Tür passt, werden oft die Fensterkreuze der Herbergen eingeschlagen. Als das sumpfige Klima der Gegend ihm arg zusetzt, kehrt der unter Erstickungsanfällen, Fieber und Geschwüren leidende, häufig Blut spuckende Kardinal nach Paris zurück.
Am Ende seines vorletzten Besuchs am Krankenbett des tuberkulös Dahinsiechenden verabreicht der Souverän seinem obersten Diener zwei Eidotter. Als der König ihn verlassen hat, lässt der Kardinal die Ärzte kommen und fragt sie: »Wie lange noch?« Einer antwortet: »In 24 Stunden werden Sie geheilt oder tot sein.« Richelieu dankt lapidar: »Gut gesprochen.« Am 4. Dezember 1642 verabschiedet er sich von seiner Nichte, der Herzogin von Aiguillon: Er habe sie »mehr geliebt als alle anderen«. Danach schläft Frankreichs oberster Stratege für immer ein – im Bewusstsein, alles Menschenmögliche zur Stärkung der französischen Königsmacht getan zu haben.
»DAS UNKRAUT AUSROTTEN«
In vielen Orten wurden während des Krieges
Frauen als Hexen verfolgt und verbrannt.
Auch im heute hessischen Büdingen: Der Amtmann
war überzeugt, damit Frieden zu schaffen.
Von
Eva-Maria Schnurr
E s sind nur ein paar Schritte vom Gasthaus Schwanen zum alten Rathaus in Büdingen: schräg gegenüber, ein Stück die
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