Der Dreissigjaehrige Krieg
wüsten »Kapitäns« konnte die Familie dann stolz sein: Louis du Plessis de Richelieu, Kämmerer und Mundschenk des Königs. Er war verheiratet mit einer herben, herrischen, kaum vermögenden Frau, die aber ältestem Adel entstammte. Ihr zweitgeborener Sohn, François, war der Vater des späteren Kardinals.
François schaffte es, sich als Offizier und Ratgeber am Hof des Königs unentbehrlich zu machen. Für seine Dienste schenkte ihm Heinrich III . die Verfügungsgewalt über das westfranzösische Bistum Luçon. François diente auch dem königlichen Nachfolger Heinrich IV . Dieser ließ François’ Witwe alle Privilegien und sorgte dafür, dass 1595 Alphonse, der ältere Bruder von Armand-Jean, mit nicht einmal zwölf Jahren zum Bischof gewählt wurde. Dem körperlich anfälligen Armand-Jean hingegen wurde die militärische Laufbahn verordnet. An einer soldatisch ausgerichteten Akademie lernte er zunächst den Umgang mit Pferden: »geizig mit Schlägen, verschwenderisch mit Liebkosungen«. Der Dressur des Pferdes sollte die Selbstbeherrschung des Reiters entsprechen. Dazu gehörte der korrekte Auftritt mit gestärkter Halskrause und ordentlich sitzendem Hut. Man lernte auch Fechten, Tischmanieren, Rechnen und Musizieren.
Bald konnte der junge Richelieu wie ein Heerführer auftreten. Doch dann kam alles anders: Bruder Alphonse, der zum selbstquälerischen Tiefsinn neigte und sich zeitweise für Gottvater hielt, beschloss, Kartäusermönch zu werden. Die Familie wollte die Rechte am Bistum Luçon wahren, also musste sie einen anderen der ihren bitten, Theologie zu studieren: Armand-Jean. Gehorsam wurde Armand-Jean Kleriker. Der König sprach dem 17-Jährigen 1602 die Bischofswürde zu (die Weihe folgte 1607), immerhin mit der Auflage, er möge sich umgehend um eine theologische Ausbildung bemühen. Das tat der junge Richelieu denn auch, knapp fünf Jahre lang. In einem ruhigen Quartier in der Nähe von Paris büffelte er, angeleitet von zwei privat verpflichteten Bibel-Exegeten, Philosophie, Theologie und Rhetorik – täglich acht Stunden.
Im Winter 1608/09 reist der 23-Jährige, inzwischen geweiht, zum ersten Mal in sein Bistum in der südwestlichen Vendée. Der spätere Reisebericht eines Engländers beschreibt die Gegend immer noch treffend: »Luçon liegt im Bas-Poitou, an einem Flüsschen, inmitten großer Sümpfe. Die Wege bestehen dort aus Furchen, sind nicht gebahnt und verzweigen sich in mehreren Richtungen in die Sümpfe, um zu kleinen Holzhäusern zu führen, in denen die kleinen Leute wohnen – diese leben einzig von ein wenig Getreide, das sie auf jedes Land streuen, das sie von den Kanälen und Weideflächen, auf denen sie ein wenig Vieh halten, abgegrenzt haben. Und da sie kein Holz besitzen, heizen sie mit in der Sonne getrockneten Kuhfladen.«
Die Stadt hat gerade mal 3000 Einwohner. Die Gebäude seines Bischofssitzes erscheinen Richelieu stark renovierungsbedürftig. Der Kathedrale fehlt die Turmspitze, ihre Mauern zeigen Risse, der Figurenschmuck am Portal ist beschädigt, im Inneren fehlen Bilder, Teppiche und Kandelaber; immerhin ist der Altar noch vorhanden. Freunden in Paris meldet Richelieu: »Ich habe keinen Raum, wo ich Feuer machen kann, ohne dass es qualmt, es gibt keinen Garten«, sein Haus gleiche einem »Gefängnis«, kurz und schlecht: »Ich bin ein Bettler.« Als Erstes lässt er mit der Hilfe reicher Freunde standesgemäße Teller anschaffen. »Wenn ich silbernes Geschirr habe, wird mein Adel sehr gesteigert sein.« Das Reich des neuen Bischofs besteht aus 13 Abteien, 48 kleineren, von Prioren geleiteten Klöstern, 7 Domkapiteln, 357 Kapellen und 420 Pfarreien. Auf einer Versammlung der wichtigsten Geistlichen wird ein Katalog von Verhaltensregeln verkündet. So sollen Priester strenger als bisher darauf achten, dass während der heiligen Messe die Kneipen im Ort geschlossen bleiben.
Richelieu fordert den Respekt vor seiner Autorität ebenso rigoros, wie er selbst sich dem »Gehorsam« unterwirft, den er und die anderen »Untertanen« dem König schulden – »zum Guten des Staates«. Die Einzigartigkeit des Monarchen ist für ihn vergleichbar mit der Einzigkeit Gottes, von der sie sich auch herleitet. Das schließt kuriose Vorschriften ein wie: »Höre auf zu sprechen, wenn der König trinkt.« Im Mai 1610 wird Heinrich IV. während einer Kutschfahrt durch Paris, in einer engen Straße, erstochen. Einen Tag zuvor war Maria von Medici, Heinrichs zweite Frau, feierlich zur
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