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Der Dreissigjaehrige Krieg

Der Dreissigjaehrige Krieg

Titel: Der Dreissigjaehrige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper Johannes Saltzwedel
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kalter Natur, meldeten Mitbürger dem Pfarrer.
    Amtmann Hartlieb ließ die Verdächtigen ins Rathaus bringen, wo man sie auszog, am ganzen Körper auf »Teufelsmale« untersuchte und einsperrte. Zu Verhören wurden sie dem Gericht vorgeführt und gefoltert: Der Scharfrichter drehte die Beinschrauben am Schenkel enger und enger, bis die Knochen splitterten, oder band den Beschuldigten die Arme hinter dem Rücken zusammen und zog sie daran über einen Flaschenzug in die Höhe, dass es ihnen die Schultergelenke auskugelte. Nicht nur ihre Buhlschaft mit dem Teufel und ihren Schadzauber sollten die vermeintlichen Hexen gestehen, sondern auch Mitverschwörer nennen, die sie beim Hexentanz beobachtet hatten. Um den Überblick zu behalten, trugen die Ankläger die Namen der Denunzierten akribisch in »Besagungslisten« ein, zählten, wer wie oft beschuldigt wurde.
    Treffen konnte der Verdacht jeden, unabhängig von Alter, Geschlecht und Stand. Allerdings waren in Büdingen wie meist in Mitteleuropa vorwiegend Frauen als Hexen verrufen. Historiker erklären das unter anderem mit altem Volksglauben; zudem galt das weibliche Geschlecht in kirchlicher Tradition als besonders anfällig für Versuchungen aller Art – auch die des Satans. Doch Männer gerieten ebenso unter Verdacht: Ihm habe sich der Teufel in Weibsgestalt gezeigt und ihn verführt, jung und schön und in einem stahlgrünen Kleid, gestand etwa der Büdinger Glaser Henrich Luck. Er wusste, was ihn erwartete: Überführte Teufelsbuhlen wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt, ihre Asche unter dem Galgen verstreut. Wer der Stadt genug Geld stiftete, durfte immerhin auf einen gnädigen Tod durch Enthauptung hoffen und auf ein Begräbnis, wenn auch außerhalb der Friedhofsmauern. Die Kosten der Prozesse stellte das Gericht den Angehörigen in Rechnung.
    Als Büdingen 1635 für sieben Jahre unter die Verwaltung des Landgrafen von Hessen-Darmstadt kam, pausierten die Prozesse. Doch 1651 forderten die Bürger von ihrem Landesherrn, die Verfahren fortzusetzen. Die gute Weinernte verdanke man der Wiederaufnahme der Verfolgung, lobten Bürgermeister und Rat ihren Regenten im Jahr darauf – nun müsse man alles daransetzen, auch die letzte Hexe zu beseitigen.
    Auch wenn in diesen Jahren bei einigen Ehemännern von Beschuldigten erstmals ernsthafte Zweifel an den Vorwürfen wuchsen, auch wenn Inhaftierte in Briefen an ihre Angehörigen schilderten, wie sie unter der Folter alles erzählt hatten, was die Richter hören wollten: Der Wahn verebbte erst mit dem Tod des eifernden Amtmanns Johann Hartlieb 1654. In jedem zweiten Haus hatten die Ankläger eine Hexe gefunden; die meisten von ihnen hatten unter der Folter gestanden. Die Schwanenwirtin Christine Meurer war wohl die Einzige, die auch Beinschrauben und »Aufziehen« nicht zu falschen Geständnissen bringen konnten: Fast ein Dreivierteljahr war sie inhaftiert, »uff keinerlei weiß zur Bejahung und Eröffnung (ihres) Gewissens« zu bewegen, sondern »uff purem lauteren Verneinen, ganz halßstarrig«, wie es in den Gerichtsakten heißt.
    Zwar waren die Richter von ihrer Schuld überzeugt – doch mangels Beweisen und Geständnis entließen sie Christine Meurer im Februar 1634 schließlich aus der Haft. Sie wurde des Landes verwiesen mit der Auflage, Schweigen über Haft und Prozess zu bewahren. Vorher aber ließ man die Frau sicherheitshalber einen Schwur ablegen: Darin musste sie versprechen, sich an den Büdinger Beamten und Gerichtspersonen nicht zu rächen.

DIE MACHT DER NACHRICHT
    Post und Zeitung, damals engverwandt,
zählten zu den wichtigen Motoren des Krieges.
Desinformation war eine übliche List.
    Von
    Markus Grill
    J ohann Carolus war gerade 30 Jahre alt, als er sich 1605 an den Rat der Stadt Straßburg wandte. Höflich bat er um ein »Privilegium«, das ihm das Monopol verschafft hätte, in Straßburg eine Zeitung herauszugeben. Die Bittschrift des jungen Mannes ist ein Glücksfall für Historiker: Sie ist das erste erhaltene Dokument, das von der Existenz eines regelmäßig gedruckten Nachrichtenblatts berichtet. In seiner vier Seiten langen »Unterthenigen Supplication« schildert Carolus, dass er schon länger eine Zeitung in Straßburg herausgebe. Vor einiger Zeit aber habe er eine Druckerei gekauft. Nun erscheine schon »das zwölffte mahl« sein Blatt in gedruckter Form, weil es »mit dem Abschreiben langsam Zugangen« sei.
    Carolus hatte die Effizienz seiner Zeitungsproduktion erheblich gesteigert,

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