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Der Dreissigjaehrige Krieg

Der Dreissigjaehrige Krieg

Titel: Der Dreissigjaehrige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper Johannes Saltzwedel
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Lutheranern gesäubert.
    Protestantischen Armen entzog man die Almosen; lutherischen Kranken wurden die Spitäler verschlossen. Unter den Augen vor ohnmächtiger Wut bebender Lutheraner eskortierte Militär protestantische Waisenkinder in »papistische« Obhut. Beinahe wäre es darüber zum Aufstand gekommen. Wohl nirgendwo sonst wurde das Restitutionsedikt mit ähnlicher Brutalität umgesetzt. Kein Wunder, dass der Schwedenkönig Gustav Adolf, als er seinen triumphalen Siegeslauf im April 1632 mit dem Einzug in das kampflos übergebene Augsburg krönte, als Retter aus höchster Not gefeiert wurde. Alles kehrte sich um: Die Lutheraner erhielten ihre Kirchen zurück, der katholische Rat wurde verjagt und durch ein protestantisches Gremium ersetzt. Freigebig verteilte der König Landgüter an Gefolgsleute.
    Die Publizistik überschlug sich vor Jubel: Eine Flugschrift zeigt den »neuen Gideon« als Sieger über eine siebenköpfige Hydra und einen riesigen Widder, apokalyptische Ungeheuer, die, wie ein weiterer Druck zeigte, zur Restitutionszeit ihre Brut – Pfaffen und katholische Schuldiener – über Augsburg gespien hatten. Manche tauften gar ihre neugeborenen Söhne auf den Namen des Helden. Sie waren beeindruckt von dem blonden Hünen, der sich leutselig gab, auf dem Fronhof vor dem Dom Ball spielte und beim Tanz im Fuggerpalast, den er zu seiner Residenz gemacht hatte, so stürmisch zu Werke ging, dass einer Patrizierstochter der Spitzenkragen zerriss.
    Das protestantische Glück war jedoch von kurzer Dauer. Bald wurden den Bürgern vom Schanzen die Rücken krumm und vom Zahlen die Finger wund. Der Krieg war ein Geldfresser: Jeder Soldat hatte außer dem Sold Tag für Tag Anspruch auf ein Pfund Fleisch, zwei Pfund Brot und eine Maß Wein. Damit nicht genug: Auch unter den schwedischen Befreiern befanden sich genug beutegierige Halunken, vor denen nichts sicher war – weder im Sparhafen versteckte alte Taler und Silberknöpfe noch die Unschuld von Töchtern und Mägden.

    Quelle: BPK
    Ein Soldat verfolgt einen Bauern
    (Radierung von Hans Ulrich Franck, um 1650)
    Nach der Schlacht von Nördlingen drangen wieder kaiserliche Truppen nach Süddeutschland vor; seit Spätherbst 1634 wurde Augsburg belagert. Der schwedische Kommandant war entschlossen, den strategisch wichtigen Platz zu halten. Bei leichtfertiger Kapitulation hätte er seinen Kopf riskiert. Zudem war die Stadt ein Symbolort der Lutheraner. Hier hatten sie Karl V. 1530 ihre Bekenntnisschrift, die als »Confessio Augustana« Augsburgs Namen in die Welt tragen sollte, überreicht; hier auch war 1555 der berühmte Religionsfrieden geschlossen worden.
    Die Blockade zeigte Wirkung; bald machte sich der Hunger zum Herrn der Stadt. Augsburg sei zu »Angstburg« geworden, schreibt der Chronist Johann Georg Mayr. Hunde und Katzen wurden gebraten und verzehrt, gewässerte Ochsenhäute gekaut, einige sollen selbst Leichenfleisch heruntergewürgt haben. »So sind die Leiber der Lebendigen zu Gräbern der Toten worden«, kommentiert Mayr sarkastisch die Mahlzeiten der schwäbischen Kannibalen. Die Quellen dürften reales Geschehen berichten. Klagend, um Brot flehend seien die Hungrigen umhergewankt; als schattenhafte Gestalten wie »dürres Holz ohne Farbe«, so eine Chronik. Das Schaff Roggen (etwa 215 Liter) soll 176 Gulden gekostet haben, gegenüber vier, fünf Gulden in normalen Zeiten. Wie viel Geld das war, lässt sich daran ermessen, dass ein Handwerker damals kaum mehr als 50 Gulden jährlich verdiente.
    In den Gassen verwesten die Leichen Verhungerter; auf den Friedhöfen wurde es eng. Die Totengräber beschwerten sich: Wo auch immer sie neue Gräber ausheben wollten, stießen sie auf halbverfaulte, erbärmlich stinkende Körper. Sie forderten deshalb eine Lohnerhöhung von 20 auf 30 Kreuzer pro Leiche, als Ausgleich für die Gefahren und den Schrecken, die ihre Arbeit mit sich brachte.
    Die von Schwedens Reichskanzler Axel Oxenstierna genährte Hoffnung auf Entsatz erfüllte sich nicht. Immer enger wurde die Blockade gezogen. Im März 1635 war aller Widerstandswille gebrochen. Die Garnison ergab sich, General Matthias Gallas bewilligte freien Abzug. Mit fliegenden Fahnen und brennenden Lunten, also mit feuerbereiten Musketen, durften die schwedischen Söldner zum Tor hinausziehen, eine Schar von Exilanten im Tross. Unter Salutschüssen und Glockenläuten rückten für sie die Kaiserlichen ein. Unverzüglich gingen sie daran, Augsburg wieder katholisch zu

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