Der Dreissigjaehrige Krieg
Gewalt. Es ist, als habe es Franck die Sprache verschlagen. Er versagt sich jeden Kommentar. Kein Gott hält die Dinge gütig im Lot, jeder heilsgeschichtliche Zusammenhang scheint verloren. Ein blindes Schicksal – ihm ist das Titelblatt gewidmet – verschont oder schlägt zu, je nach Lust und Laune. Das Schlussbild zeigt einen krepierten Gaul; neben ihm verrottet der schon halb skelettierte Leichnam seines Reiters. Raben haben ihm die Haut vom Hals gerissen und die Augen aus dem Schädel gehackt. Der Lohn des Soldaten, so lässt sich die Darstellung deuten, ist am Ende nichts als der Tod.
Quelle: BPK
Des Reiters Ende
(Radierung von Hans Ulrich Franck, um 1650)
Während die Heere der Mächtigen wie blutige Hähne durchs Reich zogen, das schwäbische Land im Chaos versank – auch in Augsburg übertraf nochmals die Todesrate die Zahl der Geburten –, wurde in Westfalen um den Frieden gerungen. Für Augsburgs Rat verhandelte ein Agent, der sich mühte, die Reichsstadt den Katholiken zu bewahren. Die Protestanten hatten neben anderen den Patrizier Johann David Herwart, einen nervenstarken Pragmatiker, entsandt. In letzter Stunde gelang ihm dank schwedischer Hilfe und unter Aufbietung üppiger Bestechungsgelder ein kaum für möglich gehaltener Erfolg: Im Osnabrücker Vertrag wurde die Parität, die völlige Gleichberechtigung der Konfessionen, festgeschrieben.
Fortan hatte Augsburg wie die Städte Dinkelsbühl, Ravensburg und Biberach einen halb katholischen, halb lutherischen Rat; auch alle Ämter vom Bürgermeister bis hinunter zum Stadtboten wurden doppelt besetzt. Innerhalb der Gesellschaft, um 1648 wieder gut 20.000 Seelen, verschoben sich durch Zuwanderung aus Bayern und Schwaben die Mehrheitsverhältnisse zugunsten der Katholiken.
Die Erleichterung über den gewonnenen Frieden fand ihren Ausdruck in Festen, die seit 1650 alljährlich am Tag der Vertreibung der lutherischen Prediger zur Zeit des Restitutionsedikts begangen wurden. Bis heute ist jener 8. August in Augsburg – und nur hier – gesetzlicher Feiertag. Das Friedensfest bietet Gelegenheit, für Toleranz einzutreten und vor religiösem Fanatismus zu warnen. Die Botschaft aus einer fernen, dunklen Zeit hat an Aktualität nichts eingebüßt.
TEIL IV
FRIEDE UND NEUORDNUNG
DAS SEUFZEN NACH FRIEDEN
Fünf Jahre rangen Gesandte aus halb Europa
in Münster und Osnabrück um ein Ende des Krieges.
Von
Annette Großbongardt
S chon das Klima setzte ihm zu; der nahe Fluss und die Feuchtigkeit waren Gift für sein Nierenleiden. »Sechs Jahre sind’s nun, dass ich hier bin, aber ich sah dich nicht anders als triefend von ständigem Regen«, so klagte der Italiener Fabio Chigi in einem Spottgedicht über die Stadt Münster. Auch die mangelnde öffentliche Reinlichkeit erregte den Diplomaten: »An beiden Seiten der Straße liegt oft dicker Schmutz, ja sogar Misthaufen dampfen vor sich hin. Denn alle wohnen hier unter einem Dach: Menschen, trächtige Kühe, stinkende Ziegenböcke und Schweine.«
Doch was blieb ihm übrig? Sein Papst hatte ihn, den Nuntius von Köln, ins Westfälische geschickt, um hier bei den Friedensverhandlungen die Interessen des Heiligen Stuhls zu vertreten. Und die Gespräche zogen sich hin. Lange schien es, als hätten sie dasselbe Schicksal wie dieser furchtbare Krieg, als würden sie nie zu Ende gehen. Allerdings war es der bis dahin größte und komplizierteste Friedenskongress Europas, der da 1643 in Münster und Osnabrück begann. Er markierte den »Ausgangspunkt einer sich institutionalisierenden europäischen Diplomatie«, so der Tübinger Historiker Franz Brendle.
Erstmals saßen sich nicht einfach zwei Kriegsparteien gegenüber, sondern gleich fünf Großmächte rangen um das Ende eines multilateralen Konflikts: der römisch-deutsche Kaiser und die deutschen Fürsten und Reichsstädte, Frankreich, Schweden, die Niederlande und Spanien. Auch die Dänen wollten mitverhandeln, wurden von Schweden aber frühzeitig hinausgedrängt. Vor den Diplomaten lag ein monumentales Werk. »Uns ist die größte Aufgabe gestellt, die es seit Jahrhunderten gegeben hat«, schrieb der französische Staatssekretär Henri-Auguste Brienne: »Es gilt nicht nur, den Frieden zwischen zwei Kronen zu schließen, sondern in ganz Europa, und ihn so fest zu gründen, dass die Hoffnung, ihn wieder zu brechen, vergeblich bleibt.«
Seit 25 Jahren schon tobte der Krieg durch Europa, im Konflikt zwischen den Niederlanden und Spanien sogar seit fast 80
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