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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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einer - ha ha ha - Penisverkleinerung hier. »Die Geschichte mit dem Krebs?«, fügte er hinzu. »Nur ein Ablenkungsmanöver.«
    Ich wusste, was von mir erwartet wurde - ein Lächeln, eine schlagfertige Antwort, die Verschiebung der Erörterung medizinischer Tatsachen und die Versicherung, dass ich mit Genitalhumor umgehen konnte.
    Ich tat so, als müsse ich etwas notieren, um ein wenig Zeit zu gewinnen. »Können wir vielleicht von etwas anderem als männlicher Anatomie reden«, sagte ich schließlich und schüttelte betrübt den Kopf. »Ich bin eigentlich gerade in den Flitterwochen.«
    Mr. Parrish lachte und entschuldigte sich umgehend für seinen, wie er hoffte, nicht als solchen empfundenen Mangel an Feingefühl. Ein Freund hätte ihm die Karte da drüben geschickt - typisch männlicher Humor -, und er hatte nicht damit gerechnet, dass der erste Arzt, der ihm nach der Operation über den Weg laufen würde -
    »Kein Grund, sich zu entschuldigen«, sagte ich. Und was hätte ich sonst tun können, um Mr. Parrish zu beruhigen, als mich auf die Bettkante zu setzen und ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Nicht nur die Krankheit zu behandeln - wie man uns auf der Uni immer wieder eingetrichtert hatte -, sondern den ganzen Patienten. Ich bediente mich meines besten Eröffnungszuges, einer stark verkürzten Version meiner Nachtund-Nebel-Vermählung. Mr. Parrish war von so viel Vertrauen angetan. Er stellte behutsame und väterliche Fragen. Nein, sagte ich, mein Mann sei kein Mediziner, und ja, er habe großes Verständnis dafür, dass ich so viel Zeit in der Klinik verbrachte.
    »Sie sind Ärztin?«, fragte er.
    Ich bejahte und drehte mein Namensschild herum, damit er sich überzeugen konnte.
    »Kein schmeichelhaftes Foto«, bemerkte er. »Und das war als Kompliment gemeint.«
    Ich sagte, am 1. Juli gäbe es ein neues, wenn ich denn so lange durchhielte.
    Er fragte, was ich damit meinte. Machte ich mir Sorgen wegen Entlassungen?
    Ich sagte nur: »Es ist ein Pyramidensystem. Es fangen mehr an als fertig machen. Und ganz oben ist nur Platz für einen.«
    »Möchten Sie da denn hin? Ich meine, wo Sie verheiratet sind und so? Ist die große Karriere so wichtig?«
    Als ich nicht gleich antwortete, sprang Mr. Parrish ein und erzählte, dass er Beratungslehrer gewesen sei.
    »Es war nicht leicht. Ich bemühe mich gerade herauszufinden, wohin ich gehöre.«
    Mr. Parrish schlug mit der flachen Hand auf den Rand seiner Matratze. »Hier gehören Sie her. Genau da. Wo Sie einem, der sich Sorgen macht, bei Sonnenaufgang Gesellschaft leisten können.«
    Ich wusste, das war jetzt der Moment für die Psychologie, der Moment, um nachzuhaken, das Wort Sorgen zu hinterfragen. Aber es war leichter, seine Gedanken wieder zu meinen persönlichen Angelegenheiten zurückzulenken. »Wollen Sie was Komisches hören?«, fragte ich ihn. »Ich habe heute Nacht ein Baby auf die Welt geholt. Reiner Zufall. Ich durfte zusehen und war ausnahmsweise mal zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich hab das Baby mit meinen eigenen Händen aufgefangen.«
    Mr. Parrish lächelte. »Na das ist ja wirklich mal ein denkwürdiges Ereignis.«
    »In den Unterlagen steht mein Name als entbindender Arzt.«
    »Wie sich’s gehört. Junge oder Mädchen?«
    »Junge. Ganz schönes Kaliber. Über vier Kilo.«
    »Sicher mehr Spaß als das hier.« Er sah mir zu, wie ich tat, was wohl in den Aufgabenbereich einer Krankenschwester fiel, nun aber zu meinen Bewährungsauflagen gehörte: die Urinmenge einzutragen. Ich sagte: » Alles macht Spaß. Alles, was mit Patienten zu tun hat.«
    »Kommen Sie, mir können Sie nichts vormachen. Was ist mit denen, die Ihnen unter den Händen wegsterben? Und die, die mit dem Rettungswagen ankommen, alles voller Blut, denen man Schläuche in die Luftröhre stecken muss? Das kann doch keinen Spaß machen. Glauben Sie, dass Sie alles schön finden müssen, um eine gute Ärztin zu sein? Denn wenn ich mir so die Ärzteserien ansehe - nicht nur ER , auch die Dokudramen -, dann ist Unglücklichsein eher die Norm.«
    »Wollen Sie mich aufmuntern?«
    Er lächelte. »Wofür sind Sie denn sonst heute zu mir gekommen?«
    Ich deutete in seine Lendengegend. »Um Ihre Wunde zu kontrollieren.«
    Er zog die Decke weg und lüftete zuvorkommend sein Nachthemd.
    Ich trat näher und sagte, alles sehe gut aus. Keine Rötungen, kein Nässen. Gute Arbeit.
    »Wissen Sie, was unheimlich ist? Mir geht’s gut. Mir tut nichts weh, ein bisschen wund fühlt sich’s

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