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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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Traditionelles.‹? Warum dieses Versteckspiel?«
    »Für dich ist alles so verdammt schwarz-weiß. Und ich lebe in der Grauzone. Ich biege halt alles ein bisschen zurecht, wenn’s der Sache dient. In diesem Fall nennen wir uns verlobt, wir bestellen das Aufgebot, und in ein paar Monaten fahren wir für die offizielle Feier und die Party nach Princeton. Und nicht nur wegen den Geschenken, sondern hauptsächlich, um deinen Eltern einen Gefallen zu tun und nicht davonzurennen, wie zwei schwachköpfige Teenager, die etwas zu verbergen haben.«
    »Was haben sie gesagt?«
    »Willst du alles hören, von Anfang an?«
    »Bitte.«
    Er deutete auf das Klo, also klappte ich den Deckel herunter und setzte mich.
    »Als Erstes sage ich, wer ich bin: ›Ray Russo, der Freund von Alice. Wir kennen uns von der Beerdigung Ihrer Mutter. Wie geht’s denn so?‹
    ›Ja‹, sagt sie, irgendwie kalt. Oder vielleicht hab ich auch noch was anderes gehört. So was wie Angst, es hat einen Unfall gegeben und ich rufe die Leute an, die im Notfall zu verständigen sind. Ich sage also: ›Ich rufe nur so an. Alice geht es gut. Sie ist in der Arbeit. Aber ich hätte gerne mit Ihrem Mann gesprochen.‹
    ›Er ist unpässlich‹, sagt sie. Noch immer kein Tautropfen. Also frage ich: ›Soll ich später wieder anrufen?‹ Sie fragt mich, ob ich die Angelegenheit auch mit ihr besprechen kann, und ich sage - sehr formell, sehr distanziert -: ›Ich glaube, Sie können sich denken, warum der Freund der Tochter den Vater der Tochter sprechen möchte.‹«
    Ich lauschte von meinem durch einen schmalen Fliesenstreifen von Ray getrennten Posten, und was ich dabei empfand, lässt sich vielleicht am besten mit Übelkeit erregendem Grauen beschreiben. Wenn Ray um meine Hand bat, dann war das schlicht und einfach eine Lüge. Und sein selbstgefälliger Gesichtsausdruck dabei ließ mich schaudern. Ich schnürte mir die Schuhe auf und rollte mir langsam die Kniestrümpfe hinunter, sehr gewissenhaft, einen Ring nach dem anderen.
    »Langweile ich dich?«, fragte Ray.
    »Ich höre zu.«
    »Also kommt schließlich doch dein alter Herr ans Telefon, todernst, und sagt, als ob ihm seine Sekretärin gerade angekündigt hätte, dass ihn nichts Angenehmes erwartet: ›Bertram Thrift am Apparat.‹
    ›Ray Russo, sage ich. Haben Sie ein paar Minuten Zeit?‹«
    Ich betrachtete meine Zehen, auf denen die Stricknaht meiner Kniestrümpfe ihre Abdrücke hinterlassen hat. Ich tastete nach dem Puls in meinem Knöchel und ließ meine Fingerspitzen ein paar beruhigende Schläge lang dort ruhen.
    »Mittlerweile«, fuhr Ray fort, »höre ich das Misstrauen in seiner Stimme. Er ist ultravorsichtig. Auf einmal dämmert’s mir: Er glaubt, ich will ihn anpumpen!«
    »Nein«, sagte ich, »niemand würde voreilig solche Schlüsse ziehen.«
    »Machst du Witze? Wenn man in so einem Haus wohnt, will einen ständig irgendjemand anpumpen. Ohne es darauf angelegt zu haben, habe ich ihn schon in die Defensive gebracht: Er glaubt, ich will an sein Geld, aber stattdessen sage ich: ›Ich liebe Ihre Tochter sehr, Mr. Thrift. Ich rufe Sie an, um Sie um Ihr Einverständnis zu bitten, mich ihr zu erklären.‹«
    Ich beugte mich vor und steckte den Kopf zwischen die Knie.
    »Was ist los?«, fragte Ray.
    Ich sagte mit undeutlicher Stimme: »Das ist nur die Erschöpfung. Hab letzte Nacht nicht geschlafen. Keine Ohnmacht.«
    »Hab noch ein bisschen Geduld«, sagte Ray. »Das Beste kommt nämlich erst. Unser Bertie wiederholt nämlich völlig verdattert: ›Sie rufen an, um um Alice’ Hand anzuhalten?‹ Ich sage, ›Na, ich bin halt ein bisschen altmodisch. Ich wollte erst Ihre Erlaubnis einholen, bevor ich einen Ring kaufe und die Frage aller Fragen stelle.‹«
    Ray unterbrach sich, um den Waschlappen einzuseifen und seine Achselhöhlen zu traktieren.
    »Und? Was hat mein Vater gesagt?«
    »Er hat geschrien, ›Joyce! Geh mal ran!‹ Und dann sagt er so was wie: ›Mr. Russo, ich danke Ihnen für den Anruf, aber ich würde es nicht wagen, Sie in irgendeiner Weise zu ermutigen, ohne zu wissen, wie Alice darüber denkt. Wir leben in einem freien Land. Nehmen Sie’s nicht persönlich, wenn Alice ablehnt, denn bei ihr standen Universität und Medizin schon immer an erster Stelle.‹<
    Und weißt du, was ich gesagt habe? Ich habe gesagt: ›Diesmal nicht. Wollen Sie vielleicht wetten, ob Alice meinen Antrag annimmt oder nicht?‹
    ›Nein, das möchte ich nicht‹, sagt er. Aber ich glaube, er wusste,

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