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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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Rachel. »Und ich bin auch keine Männerfresserin. Ich wusste nur, dass ich eine Hebamme wollte und eine Geburtswanne -«
    »- die’s bei unser aber nicht gibt«, sagte Meredith leise. »Zu viel Hausarbeit und Termindruck und Desinfektion. Außerdem können die Kinderärzte sie nicht ausstehen.«
    »Ich hab ein Video gesehen«, erzählte Rachel. »Es war so schön. Das warme Wasser machte die Schmerzen beinahe erträglich.«
    »Schmerzen?«, fragte Meredith. »Das sollen Schmerzen sein?« Mit einem Lächeln steuerte sie uns in Rachels Zimmer zurück. »Zeit, nach dem Baby zu sehen«. Und zu mir: »Was wir hören wollen sind hundertzwanzig bis hundertvierzig Herzschläge pro Minute. Ungefähr.«
    »Ich muss aufs Klo.«
    »Lassen Sie die Tür offen«, sagte Meredith. »Wir bleiben in der Nähe.«
    Ich flüsterte Meredith zu, das hier sei etwas völlig anderes als das, was ich auf der Uni zu sehen bekommen hätte.
    »Inwiefern?«
    »An Gehen und Reden kann ich mich nicht erinnern. Erst recht nicht an Zurück reden.«
    Meredith sagte, die Dinge spitzten sich zu. Bald würde Rachel nahezu sprachlos sein, großes Geschrei, aber kein verständliches Wort mehr, ich sollte mich also nicht abschrecken lassen.
    »Ich habe Stuhlgang«, hörten wir aus dem Bad. »Ist das normal?«
    »Oha«, sagte Meredith.
    »Da ist was«, schrie Rachel.
    Ich folgte Meredith, drei große Schritte, und wir waren im Bad.
    »Spüren Sie einen Druck im Rektum?«, fragte Meredith. »Sagen Sie was!«
    Rachel stöhnte, dann knurrte sie.
    »Wir müssen Sie untersuchen«, sagte Meredith. »Nicht pressen. Es könnte so weit sein. Können Sie stehen?«
    »Nein!«
    Ich trat vor. »Was soll ich tun?«
     
    FIR kam zwar nicht auf der Toilette zur Welt, aber viel hätte nicht gefehlt. Rachel konnte oder wollte sich nicht von der Stelle rühren und beteuerte immerzu, dass sie pressen müsse, dass es hier besser ginge, dass FIR diesen Zeitpunkt und diesen Ort gewählt habe. Ich sah den Schmerz auf Merediths Gesicht, als sie und ich versuchten, Rachel gleichzeitig hochzuhieven. Als Meredith zurücktrat, um sich Handschuhe anzuziehen, sagte ich: »Rachel! Ihr Baby wird in die Fäkalien fallen. Ich weiß, Sie wollen nicht weg, aber an einem sauberen, gut beleuchteten Ort sind Sie viel besser dran. Sehen Sie das Bett? Schön aufrecht? Einem bequemen Klositz gar nicht so unähnlich, nur hygienischer. Sieht das nicht viel besser aus?«
    »Gut beleuchtet?«, kläffte sie. »Ich habe extra um gedämpftes Licht gebeten -«
    »Wollen Sie, dass auf FIRs Geburtsurkunde Toilette steht?«, fragte Meredith.
    »Sie lügen«, sagte Rachel. »Verdammt noch mal, die schreiben doch nicht -«, und der Rest ihrer Replik ging unter in dem tierischsten Gebrüll, das sie bisher ausgestoßen hatte.
    »Ich muss Sie untersuchen«, sagte Meredith. »Aber hier kann ich das beim besten Willen nicht. Sie müssen mir zuhören, Rachel -«
    »Da kommt was«, schrie Rachel.
    »Ich kriege sie nicht vom Fleck«, verkündete ich.
    »Es geht aber nicht anders«, sagte Meredith.
    Ich versuchte, womit ich bereits gescheitert war - anheben, hochhieven, zur Mithilfe bewegen -, und auf einmal tat sich etwas: Rachel stand auf ihren störrischen Beinen, ihren strumpfsockigen Füßen. Später bestätigte mir Meredith, dass wir manchmal übermenschliche Kräfte entwickeln - ihre Wortwahl, dieses übermenschlich -, wenn es um Leben und Tod geht. Oder wie in dieser Nacht, um neues Leben. Endlich trieb es Rachel mit dem Karacho eines Fluchtwagens in den sicheren Hafen ihres Bettes und seiner Hygiene.
    Meredith war überall - an der Tür schrie sie nach einer warmen Decke, nach Hilfe, nach einem Radiator, nach Utensilien, von denen nur Hebammen und Krankenschwestern je etwas gehört haben -, und trotzdem schien sie Rachel nicht von der Seite zu weichen. »Knie hoch«, befahl sie. »Weiter hinauf. So hoch es geht. Na, los. Ich bin hier. Sie machen das ganz toll. Jetzt - pressen .«
    Ich dachte, ich stünde nutzlos herum, aber das stimmte nicht. Endlich war Alice Thrift am richtigen Ort, zur richtigen Zeit - um 3.03 Uhr am Morgen des 17. März - katapultierte sich ein großer, glitschiger FIR Patrice Flowers mit weit aufgerissenen Augen in meine seltsamerweise völlig ruhigen Hände.

26
    PLAN A
    Ich schlief zwei Stunden, allein, und meldete mich Sonntagmorgen in der Urologie. Kaum hatte ich die Schwelle zum Zimmer meines ersten Patienten überschritten, verkündete mir ein postoperativer Mr. Parrish, er sei wegen

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