Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
Vom Netzwerk:
vielleicht an. Aber er hat schon gestreut.«
    Ich beförderte etwas zutage, das ich einmal gelesen hatte. Autopsien an älteren männlichen Verkehrstoten hatten ergeben, dass ein hoher Prozentsatz der Unfallopfer über Siebzig Krebszellen in der Prostata hatten. Mit anderen Worten, das sei praktisch der Normalzustand.
    »Ich bin noch nicht mal sechzig«, sagte er. »Was ist bei mir normal?«
    Ich dachte an Meredith, die über Rachels Kopf hinweg gezwinkert und tröstliche Worte ausgesprochen hatte, die wissenschaftlich nicht hundertprozentig stichhaltig waren. Im Vertrauen darauf, dass er die Scherzhaftigkeit meiner Antwort erkennen würde, sagte ich: »Na, das Gute dabei ist, dass Sie beste Chancen haben, als älterer Mann bei einem Verkehrsunfall zu sterben.«
    »Wirklich? Und Sie sagen das nicht einfach nur so?«
    »Prostatakrebs ist einer von denen, die sich am besten behandeln lassen. Und es gibt neue Therapien, experimentelle. Ich kann Ihnen jemand schicken, der sich damit auskennt.« Dann fügte ich meine eigene gute Nachricht hinzu: Mit seiner Urinmenge sei alles in bester Ordnung: 120 ml pro Stunde.
    »Und das heißt?«
    »Dass alles in Bewegung ist. Keine Verklumpungen im Harnleiter. Ich muss Ihren Katheter nicht durchspülen. Sieht alles prima aus.«
    »Ich hoffe, Sie haben Recht. Ich hoffe, Sie spielen hier nicht das Sonnenscheinchen, weil Ihnen draußen jemand gesagt hat: ›Seien Sie nett zu ihm. Er ist im Endstadium, aber sagen Sie’s ihm nicht auf den Kopf zu.‹«
    »Mich hat im Leben noch keiner Sonnenscheinchen genannt. Und es hat mich auch niemand hergeschickt, damit ich Ihnen was vormache.«
    »Ich bin Al«, sagte er.
    »Ich weiß, ich habe Ihre Patientenkarte.«
    »Das ist die Abkürzung für Alphonse.«
    Ich sagte, auch das wisse ich.
    »Al und Alice«, meinte er. »Klingt nett. Wenn ich das sagen darf.«
    »Sie können zu mir sagen, wie Sie wollen. Wir sind hier recht locker. Alle meine Patienten nennen mich Alice.«
    Das war eine faustdicke Lüge. Na und? An diesem besonderen Morgen war mir einfach nach Lügen.
     
    Ich versuchte es an Rays Handy, vergebens. Dann rief ich in meiner Wohnung an und erreichte mich selbst am Anrufbeantworter. »Ray«, sagte ich. »Ich bin’s. Ich bin in der Klinik. Ich hab letzte Nacht ein kleines Mädchen auf die Welt geholt, mehr aus Versehen. Ich erzähl dir alles heut Abend. Außerdem hab ich heute Morgen einem Patienten mit einer nervenerhaltenden Prostatektomie geholfen. Nicht im medizinischen Sinn, einfach durch Reden. Wenn alles gut geht, komme ich um sechs hier raus … na, egal. Ich versuch’s noch mal an deinem Handy.«
    Ich wählte seine Nummer noch einmal, und zum ersten Mal in der Geschichte unserer Telekommunikation bekam ich den lebenden Ray an die Strippe und nicht nur seinen AB. »Alice hier«, sagte ich. »Deine Frau.«
    »Kann jetzt nicht reden, Doc. Hab Joyce am Apparat. Wo bist du?«
    »In der Urologie«, sagte ich. »Welche Joyce?«
    »Sie holt gerade deinen Vater aus der Wanne, damit ich mit beiden gleichzeitig sprechen kann.«
    »Worüber?«, fragte ich, doch es war zwecklos. Es klickte, und ich war draußen.
     
    Ich legte einen Zwischenstopp im Säuglingszimmer ein, um einen Blick auf einen gesäuberten FIR Flowers zu erhaschen.
    »Heimgegangen«, sagte die Schwester, eine kleine, rundliche junge Frau namens Doreen. Sie trug einen Kassack mit Comicfiguren drauf, die mir irgendwie bekannt vorkamen.
    »Ist das Bernie?«, fragte ich und deutete auf die Figuren.
    »Bert, Ernie, Krümelmonster«, zählte sie auf und zeigte dabei auf die Gesichter auf ihrem breiten Busen. »Und sicher kennen Sie auch Bibo.«
    Und wieder log ich. Natürlich kenne ich Bibo. Er sei eine Ikone. Ich hätte eine Bibo-Thermoskanne und ein Bibo-Schachspiel gehabt.
    »Sind Sie Dr. Thrift?«, fragte diese Unbekannte.
    Ach ja, das altbekannte Schild auf meinem Rücken: Berühmte Versagerin - auf Bewährung. »Warum?«, fragte ich.
    »Ich hab von der Entbindung gehört! Meredith hat gesagt, das Baby wäre kopfüber ins Klo gefallen, wenn Sie die Mutter nicht ins Bett geschleppt hätten.«
    » Das hat sie gesagt?«
    »Ich glaube schon. Dass sie sie nicht heben konnte, wegen ihres Rückens, und das Köpfchen war schon zu sehen -«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich hab die Mutter vielleicht vom Klositz gehievt, aber ich hab sie nirgendwo hingeschleppt. Irgendwie hat sie sich plötzlich mit quietschenden Socken selbst aufs Bett gestürzt.«
    »Na, egal. Meredith hat

Weitere Kostenlose Bücher