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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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gesagt, es ist gerade noch mal gut gegangen. Wissen Sie, was los gewesen wäre, wenn das Baby in der Toilette gelandet wäre? Und eingeatmet hätte?«
    »Sehr schlimm?«
    »Es wäre jetzt auf der Intensivstation, mindestens die volle Ladung Antibiotika, und wahrscheinlich hätten wir jetzt eine ausgewachsene Lungenentzündung.«
    »Ja, wenn das so ist«, sagte ich. »Dann bin ich froh, dass ich helfen konnte.« Ich wollte sie schon fragen, apropos drohende Intensivstation, ob sie Leo Frawley kenne, aber einige Babys hatten zu weinen begonnen, und am Fenster hatten sich etliche Besucher angesammelt, die auf Neugeborene zeigten. Ich kapierte rasch und schob ein paar Bettchen ans Fenster. Die unansehnlichen und verschrumpelten ernteten genauso zärtliche Blicke wie die pausbäckigen und hübschen. Ich blieb noch ein bisschen da, um Doreen zuzusehen, wie sie zwei Babys fest einmummelte und einem dritten die Windel wechselte. Es hatte ein so winziges Becken, das es haarscharf am Frühchen-Zimmer vorbeigeschrammt sein musste.
    »Wollten Sie nicht gerade nach Hause gehen?«, fragte Doreen. »Und kann es sein, dass Meredith mir erzählt hat, dass sie frisch verheiratet sind?«
    »Mein Mann ist noch nicht zu mir gezogen«, klärte ich sie auf. »Er hat auch noch einiges in seiner Wohnung zu erledigen.«
    »Nämlich?«
    Die Wahrheit konnte ich ihr nicht sagen - die Sache mit dem bislang verschwiegenen Hund -, also sagte ich: »Arbeit. Wie ich. Wir sind beide mit unserem Beruf verheiratet.«
    »Und darum gehen Sie nicht nach Hause und stellen den Champagner kalt, sondern machen sich in der Klinik nützlich - helfen hier bei einer Entbindung, stellen da ein bisschen die Möbel um?«, fragte sie gutmütig. »Sehen Sie bloß zu, dass Sie nicht wie diese wahnsinnigen Chirurgen werden, die so früh hier herein und so spät wieder hinauskommen, dass sie nie das Licht erblicken.«
    Ich fragte sie, ob sie das jetzt wörtlich gemeint habe: nämlich Licht im Zusammenhang mit Erdrotation. Oder im übertragenen Sinne: Licht wie Erleuchtung?
    Doreen sagte: »Ich hab hier Babys, die schreien, und Väter, die zuschauen. Können wir ein andermal darüber reden?«
    »Ist nicht wichtig«, sagte ich. »Ich muss los.« Ich wusste die Antwort auch so, deshalb schwor ich mir im Stillen, die Klinik durch den Haupteingang zu verlassen und nicht durch den Tunnel nach Hause zu gehen.
     
    Ich hörte sofort den Anrufbeantworter ab und rechnete damit, dass mir die Stimme meiner Mutter entgegenschallen würde, entweder tränenreich-schrill oder brautmütterlichschamhaft. Doch ich hörte nur meine eigene Stimme, die Ray beschwor abzuheben, falls er da sei.
    Ich machte einen Satz, als der lebendige Ray aus der Badezimmergegend rief: »Ich weiß, ich weiß. Ich hätte dich das machen lassen sollen. Aber ich hatte einen Geistesblitz. Komm rein, ich erzähl dir alles.«
    Er lag in der Wanne, den Kopf auf ein Vinylkissen gelagert, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. »Ich weiß, was du denkst: Das Wasser ist zu heiß. Aber ich steh schon nicht zu schnell auf. Magst du reinkommen?«
    »Worin bestand dieser Geistesblitz?«
    »Dass ich deine Eltern angerufen habe. Mir ist plötzlich klar geworden, dass ich mich bei ihnen melden muss, nicht du. Ruft die Frau daheim an und verkündet, dass sie verlobt ist? Oder ruft der Gentleman den Vater an und bittet um die Hand seiner Tochter?«
    »Nicht, wenn sie schon verheiratet sind.«
    »Ich habe darüber nachgedacht und beschlossen, dass wir nach Plan A vorgehen, aber mit einem interessanten kleinen Kniff: Wir sagen nicht ›verheiratet‹, sondern ›verlobt‹. Und ich setze noch eins drauf und bitte um seinen Segen.«
    »Und dir ist nicht vielleicht in den Sinn gekommen, dass dieser Beschluss zu wichtig gewesen sein könnte, um ihn einseitig zu fassen? Und eine gigantische Lüge noch dazu?«
    »Ich seh das anders. Ich will dich etwas fragen: Fühlst du dich verheiratet? Haben wir auch nur ein Foto als Dokumentation? Ein einziges Geschenk? Ein winziges Stück Hochzeitstorte im Gefrierfach?«
    »Wir sind rechtmäßig verheiratet. Wenn ich mich nicht verheiratet fühle, dann deshalb, weil du noch nicht deine Koffer ausgepackt hast.«
    »Schschsch, Schnuckel. Nicht doch. Ich rede davon, wie ich mich vom moralischen und vom religiösen Standpunkt aus fühle. Viele Leute feiern zweimal -«
    »Und warum sagen wir das nicht? Warum sagen wir nicht einfach: ›Wir sind zwar durchgebrannt, aber jetzt hätten wir gern was

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