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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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Da gibt’s keine wissenschaftliche Erklärung für. Das ist nichts, was in einer Hochzeitsrede als besonders nobel rüberkommen würde. Weil’s der gute alte animalische Magnetismus ist.«
    Ich schloss die Kühlschranktür und drehte mich zu ihm. »Ich sehe nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Ich habe ein Problem mit deinen Lügen, und du sagst mir: ›Ich hab die eine Hälfte des animalischen Magnetismus beigesteuert, jetzt tu du mir den Gefallen und mach bei dieser Scheinhochzeit mit.‹ Erklär mir, wie das eine mit dem anderen zusammenhängt.«
    »Versteh mich nicht falsch. Mir hat das ganze Ehedrumherum auch Spaß gemacht. Gerade nach meiner Zeit als Witwer und nach der langen Durststrecke. Da kann ich mich nicht beklagen. Wo’s wirklich eine Rolle spielt, ist unser Sozialleben. Hab ich dich jemals deswegen niedergemacht? Sind wir jemals irgendwohin zum Essen gegangen, auf eine Party, zum Tanzen? Haben wir jemals einen Film angeschaut, der nicht im Fernsehen lief? Oder sind wir einfach in die Heia gegangen, weil Alice um sechs bei der Arbeit sein musste?«
    »Nicht immer«, wandte ich ein. »Und ich sehe noch immer nicht den Zusammenhang. Außerdem verletzt es meine Gefühle, wenn mich ausgerechnet der Mensch, dem das nie etwas auszumachen schien, feige nennt.«
    »Du suchst einen Zusammenhang? Hier bitte schön: Du schuldest mir ein bisschen Spaß. Ein bisschen Schickmachen und Ausgehen. Ein paar Runden auf einer Tanzfläche und an der Bar.«
    »Manche Witwer würden eine große Hochzeit für ein Zeichen schlechten Geschmacks halten.«
    Ray überlegte einen Augenblick. »Erstens, komm mir ja nicht mit Mary. Weil, ich könnte meine zweite Hochzeit auf ihrem Grab abhalten, und es wär mir egal. Zweitens, ich glaube, du redest von geschiedenen Männern. Die sind das nämlich, die sich’s dreimal überlegen müssen, bevor sie eine große Sause machen, weil in neun von zehn Fällen die Ex sagen wird: ›Du hast genügend Kleingeld für eine Live-Band und eine Woche in Aruba, aber nicht genug, um mir die Alimente zu zahlen?‹«
    Da gingen mir die Argumente aus, insbesondere, da er jetzt Personen zitierte, die sowohl fiktiv als auch bankrott waren. Also fragte ich: »Möchtest du dir das halbe Hähnchen mitnehmen?«
    Er sah auf die Uhr. »Wie wär’s, wenn ich dir eine Stunde Zeit gebe, sagen wir eineinhalb, und um neun wiederkomme? Oder wann du willst. Ich könnte in fünf Minuten da sein, wenn ich nur rüber ins Shamrock gehe.«
    »Da schlafe ich schon. Außerdem, gibt es da nicht auch noch Pete?«
    »Pete«, sagte er. »Ich hab mir die Sache durch den Kopf gehen lassen und ihn weggegeben. Warum soll ich mir das weiter antun? Mit diesen Arschlöchern von Nachbarn, die mir ständig Drohbriefe in den Briefkasten stecken.«
    Ich wollte schon fragen, wo er Pete denn untergebracht habe, aber ich ließ es sein. Da wäre ihm nur eine noch kompliziertere, noch unglaubwürdigere Geschichte eingefallen, und dafür hatte ich jetzt nicht den Nerv.
     
    Mit einem Auge auf dem Telefon aß ich einen Flügel, einen Ober- und einen Unterschenkel des Hähnchens. Wenn ich nicht anrief, konnte das in den Augen meiner Eltern nur zwei Gründe haben: Entweder hatte Ray es nicht geschafft, mir einen Antrag zu machen, oder ich hatte ihn abgewiesen und wollte nicht darüber reden. Schließlich und endlich würden sie mich anrufen, und ich würde mich, wie immer, hinter meiner Arbeit verschanzen: zu viel zu tun, zu müde, zu sehr unter Druck, um mich mit sozialen Finessen abzugeben. Wenn es gar nicht anders ging, würde ich zugeben, dass ich seinen Antrag angenommen hatte. Die Liebe zwischen zwei Menschen sei doch etwas sehr Subjektives, nicht wahr? Ray tat mir gut. Ich merkte schon den Unterschied: Ich schlief weniger, aß mehr, kaufte elektronische Geräte, die die meisten Leute bereits in früheren Phasen ihrer Entwicklung erwarben. Außerdem erwarb ich langsam eine gewisse Routine im Umgang mit Patienten, was indirekt auch wieder auf Ray und die Schwankungen seines körperlichen Zustands zurückzuführen war.
    Ich klappte mein Bett auf. Es war ganz frisch bezogen, mit Bettwäsche, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, ein überraschender Beitrag zu meiner Ausstattung - weiße Zickzacklinien auf weißem Hintergrund. Das Ganze sah aus wie ein Gala-EKG. Ich legte mich hin, schloss die Augen, schlief aber nicht.
    Vielleicht war es ja gar keine Täuschung, wenn Ray unsere Hochzeit neu inszenieren wollte. Hatten nicht Grace

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