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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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erwartete, all der Gnaden teilhaftig zu werden, für die Leo berühmt war - Einfühlungsvermögen, Anteilnahme, Mitleid - mit einer speziellen Anerkennung für die Amputation des verrottenden, faulenden Glieds, das meine Chirurgenkarriere war. Doch was Leo da herauswürgte, war: »›Fräulein‹? Er hat dich ›Fräulein‹ genannt? Im OP?«
    »Das war noch das Harmloseste. Er hielt quasi eine Lehrveranstaltung ab. Sprach zu mir wie zu einem Kindergartenkind: ›Diesen Schlauch hier nennen wir einen Penrose-Drain, Dr. Thrift. Das ist ein Chirurgenknoten. Das ist der Anästhesist, der die Patientin jetzt extubieren wird - welche wiederum demnächst den Namen Ihres Anwalts wird wissen wollen. ‹«
    »So eine bodenlose Frechheit«, sagte Leo, der aufgestanden war und jetzt im Zimmer auf und ab marschierte. »So ein Arschloch.«
    »Warum musste mir das ausgerechnet bei ihm passieren?«, jammerte ich. »Warum nicht bei irgendjemand anderem?«
    »Das wird ihm noch Leid tun. Du wirst schon sehen.«
    »Wird’s ihm nicht! Das war Krieg. Der ist wahrscheinlich auch noch stolz darauf. Hofft, dass er damit in die Geschichte der Klinik eingeht. Hastings - der Schreck aller Jung-Chirurgen, dessen Legende von Generation zu Generation weitergegeben wird.«
    »Er hatte kein Recht, so mit dir umzuspringen! Egal, wie viele Arterien es erwischt hat. Du hast nichts Schlimmeres getan, als einen Wundhaken ausrutschen zu lassen. Das hätte jedem passieren können.«
    Ich schluckte das mea culpa hinunter, das sich gerade mit einem Tränenschwall seinen Weg nach außen bahnte, und fragte: »Wirklich?«
    »Ich bin sicher, so etwas passiert jeden Tag. Nicht unbedingt hier bei uns, aber in irgendeinem OP, irgendwo auf der Welt … ganz bestimmt.«
    »Aber er hat gesagt, dass es jetzt monatelang chronische Beschwerden gibt, wegen des Narbengewebes, und er musste einen T-Drain legen -«
    »O. K., O.K. So was kommt vor. Unfälle passieren eben. Niemand ist gestorben. Hast du’s absichtlich getan? Hast du dich freiwillig zum Assistieren gemeldet und es dann versaut, oder hat man dich in den OP geschleppt, kaputt wie du warst, und dir eine Schlaftablette gegeben, mit dem schönen Namen ›Halten Sie den Haken ein paar Stunden.‹?«
    »Diese Reaktion habe ich nicht erwartet.«
    Leo deutete auf die Wohnungstür. »Ich will, dass du gleich morgen früh wieder in die Klinik gehst und denen sagst, dass du nicht kündigst. Dass du im ersten Schrecken die Kündigung geschrieben hast, aber nach einem Gespräch mit deinem Anwalt -«
    Ich drückte mir unser einziges Sofakissen vors Gesicht und sagte unter den verfilzten Fransen hervor: »Kommt nicht in Frage.«
    Er setzte sich wieder. »Du wirst nicht nur da hinmarschieren, sondern auch verlangen, dass Hastings sich bei dir und allen anderen Zeugen dieses Ausfalls entschuldigt.«
    Ich ließ das Kissen sinken. »Spinnst du?«
    »Das war reine Schikane. Er hat dich nicht nur beleidigt und erniedrigt, sondern auch diskriminiert. Zum Glück haben wir einen OP voller Zeugen.« Darüber dachte er ein paar Sekunden nach, dann fragte er euphorisch: »Gab’s Schwestern, die das mitgekriegt haben?«
    Ich sagte, wenn er glaube, Freiwillige rekrutieren zu können, die mich gegen den allmächtigen Dr. Hastings unterstützen würden, na dann viel Glück. Und außerdem, war es nicht auch seine wohl überlegte Ansicht, dass ich aufhören und dieses Fehlbesetzungsdrama beenden solle? War das nicht das Thema einer kürzlich stattgehabten Therapiesitzung in einem öffentlichen Verkehrsmittel gewesen?
    »Ja, aber nicht so. Ich wollte, dass du hocherhobenen Hauptes gehst.«
    »Keine Chance. Und ich garantiere dir, dass derjenige, der meine Kündigung entgegengenommen hat, heute Abend mit seiner Frau feiern geht.«
    Wieder stand Leo auf. »Da wäre vielleicht eine Intervention meinerseits angebracht.«
    »Wie zum Beispiel? Ausstand der Krankenschwestern-Ethikkommission für die Rechte misshandelter Jungärztinnen? Leos streitbare Streikschwestern?
    Mit großer Würde sagte er: »Keineswegs. Ich dachte an Erpressung.«
    Mitten im Kopfschütteln hielt ich inne. »Erpressung?«, wiederholte ich.
    »Kreative Erpressung. Ich weiß etwas über Hastings.«
    Etwas - ein Milliliter Hoffnung?, ein Kubikzentimeter Rachedurst? - verleitete mich zu der Frage: »Über Hastings?«
    »Ein pikanter Ausrutscher. In flagranti erwischt. Von mir. In der Filmbibliothek.«
    »Wann?«
    »Vor einem Jahr. Vielleicht länger. Aber ich kann warten. Ich

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