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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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›Mensch, Mary, nein‹, sagte ich. ›Und Sie brauchen mich auch nicht für so bescheuert halten, dass ich Ihnen das abkaufe.‹ Weißt du, was sie da gesagt hat? Ich werde das nie vergessen. Ich hab’s sogar in meine kleine Rede bei unserer Hochzeit eingebaut. Sie sagte: ›Das werden Sie aber müssen, Sie Arschloch, denn wenn Sie jetzt nicht augenblicklich hier verschwinden, dann rufe ich die Bullen.‹«
    Ich blinzelte und versuchte, mich zu erinnern, wie sich meine und die Wege dieses Mannes je kreuzen konnten, und wie es so weit kommen konnte, dass ich jetzt hier mit ihm an einem Tisch saß und dieses Gespräch führte.
    Ray sagte: »Entschuldige die Ausdrucksweise. Ich wollte sie vollständig zitieren, damit du auch das ganze Aroma mitbekommst. Egal, ich lachte also, und das war die einzig richtige Reaktion. Damit habe ich für Entspannung gesorgt und ihr gezeigt, dass ich Humor habe. Und hast du’s nicht gesehen, sitzen wir auf den Stufen zum Eingang und unterhalten uns. Eine Dreiviertelstunde, vielleicht eine Stunde später kannten wir uns schon … wie soll ich sagen? Kannten wir uns schon viel besser.«
    Ich wartete auf eine detailliertere Darstellung. Als keine kam, fragte ich, ob er damit meine, dass sie Geschlechtsverkehr gehabt hätten.
    Ray tupfte sich den vollen Mund ab und nickte mit großem Nachdruck. »Und wie!«
    »Safe Sex?«
    »Sicher doch. Ich sorge immer vor. Mary übrigens auch, wie sich herausstellte. Sie kaufte sie im Großmarkt. In der Riesensupervorteilspackung.«
    Ich antwortete, so gut ich es bei diesem Thema eben vermochte. »Da muss die Chemie aber extrem gut gewesen sein, wenn ihr schon nach einem dreiviertelstündigen Gespräch miteinander ins Bett gegangen seid.«
    »Kann man wohl sagen. Man könnte auch sagen, dass Mary ein zutiefst physisch orientiertes Wesen war.« Er nahm den Salz- und den Pfefferstreuer und stellte sie einander gegenüber. »Die meisten Leute unterhalten sich, um sich zu verständigen und die Zeit zu vertreiben, oder? Nicht unsere Mary« - und schon gingen die beiden Streuer in die Horizontale -, »die wäre womöglich sexsüchtig geworden, wenn ich nicht gekommen wäre.«
    »War niemand zu Hause?«
    »Das war ihr egal! Sie wohnte zwar mit einigen Leuten zusammen, aber jeder kümmerte sich um seinen eigenen Kram, wenn sie Besuch hatten.« Er packte seinen Bierkrug, nickte bestätigend und trank ein paar große Schlucke.
    »Da fehlen mir so ziemlich alle Worte.«
    »Zu welchem Thema?«
    »Mary. Ich muss mein geistiges Bild von ihr vollkommen revidieren.«
    »Von was zu was?«
    »Von … ich weiß nicht. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass du um ein liebenswürdiges, fürsorgliches Wesen trauerst. Aber jetzt erinnert sie mich an diese flotten Dinger, vor denen ich mich schon in der Schule gefürchtet habe. Die, die mit 13 schon rauchten und tranken und einen Freund hatten, und andere hinter den Tennisplätzen verdroschen.«
    Er sah verwirrt drein. »Habe ich nie von Mary erzählt?«
    Jetzt bedeutete ich der Kellnerin, mir ein Bier zu bringen. Vorsichtig sagte ich: »Dann verstehe ich nicht, warum ihr Fremdgehen dich so schockiert. Ich meine, wenn sie schon bei eurem ersten Gespräch mit dir ins Bett ging -«
    »Beim zweiten.«
    »Na gut, beim zweiten. Zeigt das nicht schon, dass sie - sagen wir mal - sehr vage Moralvorstellungen hatte?«
    »Ich habe nicht versucht, sie zu ändern. Soweit es mich betraf, hatte ich das eigentlich sehr gern.«
    Die Kellnerin brachte mir dieselbe Sorte, die Ray auch bestellt hatte, ein Spezialbier zum Valentinstag, und fragte, ob ich jetzt vielleicht meine Süßspeise haben wolle. Ich sagte, nein danke, nur die Rechnung. Ray sagte: »Sie gibt gerade den Psychiater und stellt mir heikle Fragen. Genau das, was ich jetzt brauche! Den Tatsachen ins Auge blicken. Wer sagt denn, dass ich mir nicht was vorgemacht habe, von dem Moment an, wo ich sie zum ersten Mal gesehen habe?«
    »Wen?«, fragte die Kellnerin.
    »Mary!«
    »Seine frühere Frau.«
    »Ach ja,’tschuldigung. Die, die gestorben ist.«
    »Kein Grund, sich zu entschuldigen. Sie war eine Nutte.«
    Widerwillig zog die Kellnerin ihren erstaunten Blick von Ray ab und richtete ihn auf mich.
    Ray machte eine Geste, mit der er uns einander vorstellte. »Deshalb sitze ich ja hier mit Alice - das ist übrigens Alice - und habe meine Werte und Moralvorstellungen komplett auf den Kopf gestellt.« Über mein fettverschmiertes Set hinweg drückte er meine Hand.
    War das jetzt ein

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