Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift
und keifte: »Führ dich nicht auf wie ein Autist.«
»Wenn du darauf bestehst, dann höre ich zu. Aber denk dran, ich bin nicht Nana.«
»Ich bestehe nicht darauf«, sagte sie und stürzte sich mit Gusto in ihre Reminiszenzen. »Bei deinem Vater und mir war es Abneigung auf den ersten Blick. Ich fand ihn unverschämt, unhöflich und egozentrisch. Er machte gerade seinen MBA, und ich hatte eine Schwäche für die Jungs vom Literaturmagazin.« Sie lächelte vor sich hin. »Dichter natürlich. Und dann kommt dieser Typ daher - Mikro, Makro, Macho. Betriebswirtschaft, Betriebswirtschaft und noch einmal Betriebswirtschaft.«
»Ich kenne die Geschichte.«
»Nein. Du kennst die jugendfreie Version. Was wirklich lehrreich sein könnte, ist die Wahrheit: dass ich nämlich mit ihm geschlafen habe, kurz nachdem wir uns kennen gelernt hatten. Einfach so, zum Spaß. Um es hinter mich zu bringen, mit jemandem, der weder sensibel noch künstlerisch veranlagt war - und ohne die geringste Absicht, mich zu verlieben. Aber genau da ist es passiert: im Bett. Na ja, und es gibt keine Ratgeber, wie man sich danach zu verhalten hat. Du hüpfst mit einem ins Bett, um so zu sein wie die Dichter-Groupies im Village, die schliefen, mit wem sie Lust hatten, ohne Reue. Und was passiert? Du wachst auf, glücklich und zufrieden in die Laken verwickelt, und möchtest nur noch Mrs. Bertram Thrift sein.«
Ich blinzelte. »Und was du mir damit sagen willst, ist …?«
»Was ich dir damit sagen will, ist, dass ich das Wort für Wort auch meiner Mutter erzählen konnte. Meine Freundinnen waren viel zu spießig - verliebt, verlobt, verheiratet, entjungfert in der Hochzeitsnacht. Im Plaza versteht sich. Und Aussteuer nicht vergessen. Ich wusste, ich konnte meiner Mutter alles erzählen, und sie würde mich nicht Nutte nennen, oder Schlimmeres, und auch nicht in Tränen ausbrechen.«
»Und woher wusstest du das?«
»Weil sie mich so erzogen hat, wie sie mich erzogen hat. Sie schämte sich weder ihres Körpers noch ihrer Körperfunktionen, und so was schafft ein bestimmtes Klima in einer Familie. Wenn man bei offener Tür badet oder aufs Klo geht und seiner Tochter erlaubt, sich auf den Badewannenrand zu setzen und mit der nackten Mutter zu plaudern, dann setzt das Maßstäbe.« Mit verschwörerisch gesenkter Stimme fuhr sie fort: »Einmal, gleich nach ihrer Scheidung, verbrachten wir eine Woche in einem Nudistencamp im Norden von New York, in dem auch Kinder erlaubt waren. Ihre Freundinnen wussten nichts davon. Sie war keine leidenschaftliche Nudistin, aber sie war neugierig. Wir sind nie wieder hingefahren, weil sie die Leute dort nicht besonders mochte. Und ich glaube - dir kann ich’s ja sagen -, sie war damals auf der Suche nach männlicher Begleitung. Ironischerweise war das einer der ödesten Urlaube, an die ich mich erinnern kann. Alle redeten über Politik, alle waren verheiratet, niemand flirtete, und alle ließen alles hängen.« Sie strich sich über ihr zu einer Banane hochgestecktes Haar. »Ich habe mich ganz bewusst darum bemüht, diese Tradition fortzuführen und in der Badwanne Hof zu halten, aber du und Julie und, weiß Gott, euer Vater, ihr habt regelmäßig die Tür zugemacht, wenn ihr vorbeigekommen seid. Vielleicht hätte ich mich mehr anstrengen sollen.«
»Warum?«
»Darum! Ich hätte euch vielleicht irgendwie eure Befangenheit nehmen können. Hätte euch offener, körperbetonter, … lockerer machen können. Und Julie! Die hätte ich fesseln und dazu zwingen sollen, mit mir zu baden. Dann hätte sie vielleicht nicht so ein Hokuspokus um den weiblichen Körper gemacht und ihn ständig als Sexualobjekt betrachtet!«
»Ich glaube nicht, dass das so funktioniert.«
»Was ich - unter anderem - damit sagen will, ist, dass es noch nicht zu spät ist. Ich bin jetzt für dich da. Gott hat die Tür geschlossen, auf der ›Nana‹ stand, und die mit ›Alice‹ drauf geöffnet.« Sie stupste mich mit der Hüfte an, bis ich näher an die Wand rückte, dann legte sie sich neben mich.
»Fühlt sich das nicht gut an?«, fragte sie. »Kriegst du da nicht Lust, dich bis in die Nacht hinein zu unterhalten?«
»Eigentlich nicht.«
»Na, komm schon. Erzähl mir was. Egal was. Groß, klein, Hauptsache, es kommt von da.« Sie klopfte sich mit der Faust auf die linke Brust.
»Wie zum Beispiel?«
Sie breitete die Arme über uns aus. »Der Himmel ist die oberste Grenze. Deine Träume, deine Sehnsüchte. Deine Fantasien. Von einem gut
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