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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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nicht, dass Ray nicht durchkommt.«
    Zelle? Heutzutage gab es keine Telefonzellen mehr. Oder Leute, die auf ein öffentliches Telefon angewiesen waren. Ich setzte mich auf den rauen Teppich und wartete.
     
    Ein uniformierter Wächter rüttelte mich an der rechten Schulter und forderte mich auf, das Gebäude zu verlassen. Ich erklärte ihm, ich sei die neue Mieterin von 11G und ruhte mich nur aus, während ich auf einen Anruf wartete.
    »Gerade sehe ich sie noch am Telefon, und schon liegen Sie am Boden. Woher soll ich denn wissen, was mit Ihnen los ist.« Dieser Wächter sah aus, als gehöre er eigentlich noch auf die High School und habe sich Hemd und Mütze von seinem großen Bruder ausgeliehen. »Ihr Ärzte seid alle gleich«, fuhr er fort. »Es gibt sogar solche, die fahren im Aufzug hoch, und wenn er wieder runterkommt, stehen sie noch immer drin - und schlafen. Ganz schön gruselig. Ich weck sie auf, und wir probieren’s noch mal.«
    »Habe ich irgendwelche Anrufe verpasst?«
    Nicht, dass er wüsste, aber er habe die ganze Zeit drüben an seinem Tisch gesessen. Wohin er jetzt, da er sich vergewissert habe, dass ich weder komatös noch obdachlos sei, auch wieder zurückkehre. Ob er mich zum Aufzug begleiten solle?
    Der Beantwortung dieser Frage wurde ich durch die Ankunft Ray Russos enthoben, der soeben die Eingangstür durchschritt, in der Hand eine große Plastiktüte mit der Aufschrift ›Wir sind unschlagbar‹.
    »Ja, bitte?«, sagte der Wächter und eilte auf seinen Posten zurück.
    »Ich möchte zu Dr. Thrift«, antwortete Ray und zeigte augenzwinkernd auf mich.
    »Direkt hinter Ihnen - die Dame auf dem Boden.«
    Ray hob die Tüte auf Augenhöhe. »He, Doc. Ein Einweihungsgeschenk! 2,4 Gigahertz. Anruferidentifikation, Anklopffunktion. Ich kann’s umtauschen, wenn dir die Farbe nicht gefällt.«
    Wie war so etwas möglich? Dass George Ray erwischte, Ray an einem Sonntagabend einen Laden fand, der geöffnet hatte, mir ein Telefon kaufte und zu einer Adresse fuhr, die ich nie angegeben hatte?
    Er kritzelte wie ein Promi sein Autogramm auf die Besucherliste, schwebte am Empfang vorbei, zog mich hoch und küsste mir schließlich die Hand, die ich ihm entgegenstreckte.
    »Sind die Läden am Sonntag nicht zu?«, fragte ich ihn.
    »Wegen dem Telefon, meinst du? Mit dem fahr ich schon seit ein paar Tagen durch die Gegend - seit ich deine Karte gekriegt habe -, und auf einmal ruft George mich an und meldet: ›Doc hat aus der Eingangshalle ihres neuen Wohnhauses angerufen.‹ Und weißt du, wo ich da gerade war? Auf der Boston University Bridge. Ich schwöre bei Gott. An einem Sonntagabend brauche ich von da keine zehn Minuten.« Er wandte sich wieder an den Wächter. »Ich hab draußen vor der Tür geparkt -«
    »Tut mir Leid. Nur für Lieferanten. Da müssen Sie weg. Fahren Sie in die Garage vom Krankenhaus: links und dann wieder links.«
    Irgendein Blinzeln, ein Signal oder eine Botschaft in Körpersprache musste zwischen den beiden ausgetauscht worden sein, das fühlte ich, denn der Wächter sagte: »Wenn das so ist … Aber um Mitternacht muss der Wagen weg sein.«
    »Na?«, sagte Ray mit einem breiten Grinsen und legte mir einen Arm besitzergreifend um die Schulter. »Wollen wir?«
    Ich führte ihn zum Fahrstuhl. Mir war klar, dass mein einst marineblauer Pulli sich in Form und Farbe einem ausgewaschenen Sweatshirt angenähert hatte. Meine roten Leinenschuhe waren uralt und stammten noch aus dem Sportunterricht in meinem ersten Jahr an der High School. Und meine Jeans kamen direkt aus dem Wäschekorb. Eigentlich war ich davon ausgegangen, mich eingehender auf Herrenbesuch vorbereiten zu können, auch war mir schleierhaft, wie ich mich in Anwesenheit eines Gastes in einer Einzimmerwohnung unauffällig gewissen Waschungen unterziehen sollte. Im Fahrstuhl betrachtete Ray aufmerksam mein Gesicht und rieb dann zur Diagnosestellung mit dem Handrücken über einen meiner Backenknochen.
    Ich fragte ihn, wozu er das täte.
    »Du hast ein Muster im Gesicht, als hättest du auf einer Jutetasche geschlafen.«
    Da nahm ich die Abdrücke selbst in Augenschein und erklärte ihm, dass ich auf dem Fußboden eingeschlafen sei, während ich auf Georges Rückruf gewartet hätte.
    »Gute Detektivarbeit. Und gutes Gedächtnis. Und Glück gehabt, dass Georgie ein Cousin väterlicherseits ist.«
    Ich wollte wissen, wozu er eine Geheimnummer brauchte.
    »Wegen der Kundschaft. Das hab ich recht schnell gelernt, dass du keine Ruhe

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