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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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Quadratmetern?«
    »So wie ihre? Ein Zimmer mit Kochnische?«, fragte Ray
    »So hört man. Ich kann nicht behaupten, dass ich jemals einen Fuß in die berüchtigte Nr. 11G gesetzt hätte.«
    Ich fragte, ob sie meinen Vorgänger, Dr. Gale, gekannt habe.
    »Ich kenne seine Frau.« Sie deutete den Flur entlang. »Hat sich was mit dem Typen auf 11C angefangen und ist zu ihm gezogen. Kein Mensch, nicht mal seine Frau, hatten eine Ahnung, dass es ihn so treffen würde.«
    »Gibt’s was, das ich wissen sollte?«, fragte Ray.
    »Der Vormieter hat Selbstmord begangen«, klärte ich ihn auf.
    »Alles ging so unendlich zivilisiert vor sich. Aber irgendwann war es nicht mehr zu leugnen, dass sich hier was Schreckliches abgespielt hat«, sagte Sylvie. Wir nickten, in einer Gebärde des geheimen, finsteren Einverständnisses zwischen zwei medizinischen Fachkräften über die Anzeichen von Verwesung .
    »Die Zivilisierten, das sind die, auf die man am meisten aufpassen muss«, schaltete Ray sich ein. »Das sind lebendige Zeitbomben.«
    Sylvie sagte, sie würde uns ja auf einen Drink hereinbitten, aber bei ihr herrsche das totale Chaos und sie würde in zehn Sekunden in die Falle gehen.
    »Sie also auch, was?«, sagte Ray und grinste. »Kollegin?«
    »Mehr oder minder. Hier im Haus gehören alle zum Personal. Internistin. Im dritten Jahr.«
    »Im ersten Jahr«, sagte ich. »Chirurgie.«
    »Grauslich«, sagte Sylvie. »Wie sind Sie denn heute zu Ihren freien fünf Minuten gekommen?«
    »Ganz so schlimm ist es nicht. Ich meine, unterm Strich -«
    »Haben Sie einen Freund?«, ging Ray dazwischen.
    »Hab ich nicht. Aber ich glaube, dass ich, was immer der tiefere Sinn Ihrer Frage gewesen sein mag, eine sehr nette Nachbarin sein werde und Alice eine Tasse Zucker leihen kann, ohne mich dabei zu blamieren.«
    »War ja nicht bös gemeint«, rechtfertigte sich Ray.
    »Klopfen Sie, wann immer Sie sich was zum Essen kommen lassen wollen«, wandte sie sich an mich. »Ich teile mir lieber ein paar Gerichte mit jemandem, statt ein ganzes Huhn Kung Pao allein zu essen.«
    »Ich auch«, sagte ich.
    »Also dann: Willkommen in der Biosphäre. War lieb, dass Sie den ersten Schritt gemacht haben.«
    Der Miesepeter von nebenan öffnete die Tür, eine neue Zeitschrift in der Hand, und schnauzte heraus: »Würde es Ihnen was ausmachen, Ihre Unterhaltung drinnen fortzusetzen?«
    »Wir bringen das hier gerade zu Ende«, erwiderte Sylvie, »damit wir Sie nicht weiter behelligen, verehrter Anthony.«
    »Für wen hält der sich denn?«, fragte ich, als der Fremde wieder hinter seiner Tür verschwunden war.
    »Erster Assistenzarzt, klinische Pathologie«, flüsterte Sylvie. »Und Erster Spielverderber im elften Stock Nord, wenn nicht auf dem ganzen Klinikgelände.«
    Ich schickte ein Stoßgebet zu den Göttern der Charakterbildung: Bitte macht, dass ich ihm nicht seinen Titel abringe.
     
    »Wir müssen unsere Expedition fortsetzen«, sagte Ray, als wir wieder hinter verschlossenen Türen saßen.
    »Wozu?«
    »Damit wir eine Freundin für dich finden.« Er deutete mit dem Kopf Richtung Flur. »Die da ist zu aggressiv. Wenn die dich unter ihre Fittiche nimmt, bricht sie dir ein paar Rippen dabei.«
    »Mir gefällt sie. Sie versteht nicht nur, wie’s bei mir zugeht, sondern lebt auch allein und mag chinesisches Essen.«
    »Ich sage ja nicht, dass du sie wie eine heiße Kartoffel fallen lassen musst. Ich sage nur, dass unsere Arbeit noch nicht getan ist.«
    »Bitte, keine Hausbesuche mehr.«
    »Meinst du heut Abend oder überhaupt?«
    Um der Diplomatie willen sagte ich: »Heut Abend. Wenn wir uns das nächste Mal unterhalten, werde ich dir eine genaue Aufstellung meiner neu erworbenen Freundinnen vorlegen.«
    »Das nächste Mal?«, wiederholte Ray. »Soll das heißen, Schluss für heut? Weil, nach meiner biologischen Uhr fängt der Spaß jetzt erst an. Wenn du unbedingt willst, können wir auch zum Harvard Square fahren. Ich kenne da ein paar Lokale, wo so Professorentypen verkehren.«
    Mir war klar, dass ich dabei war, das Versprechen zu brechen, das ich Dr. Shaw bezüglich Schlafen vs. Leben gegeben hatte. Aber hatte ich nicht eine Verpflichtung meinen Patienten und meiner Karriere gegenüber, Schlafentzug und seinen katastrophalen Auswirkungen entgegenzuwirken? Ich teilte Ray mit, dass ein müdes Gehirn genauso fehleranfällig sei wie ein betrunkenes. »Macht es dir sehr viel aus?«, fragte ich in der Hoffnung, es möge liebenswürdig klingen. »Wenn du’s

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