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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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hast, wenn du im Schokoladegeschäft bist und all dem, was dazugehört - Geschenknotfälle, plötzliche Gelüste, Ladenschlussgesetze. Die Leute rufen dich an, wann immer ihnen danach ist, als hätten sie das gottgegebene Recht, um zwei Uhr morgens Pralinen zu bestellen. Sie begnügen sich nicht damit, eine Nachricht zu hinterlassen. Sie müssen auch noch bei mir daheim anrufen. Als wäre das ihre letzte Chance. Als wär’s eine Sache auf Leben und Tod.« Er lächelte. »Aber du brauchst jetzt keinen Georgie mehr! Du kriegst meine Mobilnummer.« Er öffnete die Tüte, damit ich hineinsehen konnte. Darin steckte eine unverpackte Schachtel, auf der eine Frau sich offensichtlich angeregt an einem scharlachroten Telefon unterhielt. Mit diesem Wunderding konnte ich mich 4,5 Stunden mit Freunden unterhalten, bevor ich es wiederaufladen musste, und noch dazu fünfzig verschiedene Nummern einspeichern!
     
    Die Führung dauerte dreißig Sekunden und bescherte mir keinerlei Komplimente.
    »Und jetzt?«, fragte Ray.
    Ich beförderte meine beiden Klappstühle aus dem Wandschrank, und aus dem schmalen Kühlschrank die Sektflasche, die meine Mutter dort deponiert hatte.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch mal von dir hören würde«, sagte er, nachdem er seinen Pappbecher ausgiebig geschwenkt und dessen Inhalt inspiziert hatte.
    Ich beschäftigte mich angelegentlich damit, ausgefranste Fäden in ein Loch in der Spitze meines linken Schuhs zurückzustopfen.
    Ray klopfte mir aufs Knie. »Wie wär’s mit einem kleinen Blickkontakt?« Er drehte seinen Stuhl so, dass wir uns Auge in Auge gegenübersaßen. »Worte«, befahl er. »Sag irgendwas. Fang mit ›ich‹ an und häng ein - wie heißt das noch mal? - ein Tunwort dran!«
    »Ein Verb?«
    »Genau. Ein Verb, und dann vielleicht auch den Rest. Etwas, aus dem hervorgeht, was los ist.«
    »Du meinst, warum ich …?«
    »Warum du nicht anrufst. Dann schreibst. Dann umziehst. Dann anrufst.«
    »Mir war nach Gesellschaft«, brachte ich hervor.
    »Tatsache? Und war ich ganz oben auf deiner Gästeliste? An zweiter Stelle? An dritter? An letzter?«
    »An erster.«
    »Anders gesagt, der Umzug war ein Fehler. Du hattest einen Hausgenossen, und jetzt hast du keinen mehr, und du hast dich einsam gefühlt und bist dein Adressbuch durchgegangen und hast den guten alten Ray ausgegraben.«
    »Es ist kein sehr wissenschaftlicher Ansatz, etwas auf der Grundlage der Erfahrung eines Tages zum Fehler zu erklären, oder?«
    »Ich pfeife auf wissenschaftliche Grundlagen. Was ich über eine neue Wohnung weiß, ist Folgendes: Du machst die Tür auf und denkst: Ahhh, darauf habe ich mein Leben lang gewartet. Platz. Freiheit. Privatsphäre. Oder du gehst rein und sagst: Scheiße. Was mach ich jetzt?«
    Der wahre Grund für seine Anwesenheit, diese Einladung, war natürlich einzig und allein meine Mutter und meine abenteuerliche Ankündigung einer Exkursion in fleischliche Regionen. Aber jetzt, da Ray hier war und dasaß wie ein Familientherapeut in einer Gewissenserforschungssitzung, hatte sich eine konversatorische Frigidität meiner bemächtigt. Was ich an Neigungen und Gelüsten im stillen Kämmerlein auch verspürt haben mochte, nichts davon ließ sich reproduzieren.
    »Na, ja«, begann ich, »einer der Auslöser war ein lieber, väterlicher Mann, ein Geburtshelfer, mit dem ich in der Kantine zu Abend gegessen habe. Er gab mir den Rat auszugehen.«
    Rays Augen verengten sich zu Schlitzen. »Hat er dich eingeladen?«
    »Nicht die Spur. Er versuchte, die Ursache für meine sozialen Unzulänglichkeiten zu erforschen, und nahm mich unter seine Fittiche.«
    Ray lächelte. »Wie ich. Ich hab dich doch auch unter meine Fittiche genommen, oder? Wahrscheinlich magst du das.«
    Ich erzählte ihm, dass dieser Dr. Shaw einen Ausflug zum Harvard Square angeregt hatte -
    »Erstens findest du da nicht im Traum einen Parkplatz, und zweitens: Was meinst du, kriegst du da an einem Sonntagabend im Februar zu sehen? Außer einem Haufen Harvard-Studenten vor dem Bankomat.«
    »Ich dachte an Musik oder irgendwelche Vorträge, oder ein Café.«
    »Um Kaffee zu kriegen, musst du nicht bis zum Harvard Square pilgern.«
    »Es geht doch nicht um das Getränk. Sondern darum, aus dem Haus zu kommen und nach dem Abendessen nicht gleich ins Bett zu fallen.«
    »Was spricht dagegen, ins Bett zu gehen, wenn man müde ist?«
    »Das Paradoxon des Schlafs. Den ganzen Tag wartet man auf nichts anderes. Man hofft, man freut sich

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