Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift
Pyjama sei von meiner Schwester, einer ausgewiesenen Hundefreundin.
Er schüttelte mein Kissen auf und zentrierte es mit mathematischer Genauigkeit vor dem Kopfteil.
»Shampoo ist keines da, aber Seife. Hast du ein Handtuch gefunden?«
»Ich hab das Handtuch gefunden.«
Er machte ein paar Schritte in Richtung Badezimmer, kam aber wieder zurück. »Doc? Meinst du, du könntest dein Leben vielleicht eher in den Griff bekommen, wenn du nicht hundert Stunden pro Woche arbeiten würdest? Ich meine, wenn du Lehrerin wärst, oder Sekretärin, glaubst du, dann hättest du Zeit für Handtücher, Shampoo und mehr als eine Garnitur Bettwäsche?«
»Kann ich dir ehrlich nicht sagen.«
»Wie war das dann früher? Auf der Uni? Hast du da auch ohne Möbel und Essen und diverse Kleingeräte gelebt?«
Ich sagte, so sei es tatsächlich gewesen, aber irgendwie seien diese Dinge immer ohne mein Zutun aufgetaucht.
»Da hast du aber eine recht gutmütige Zimmergenossin gehabt. Wahrscheinlich hast du die ganze Zeit ihre Sachen benutzt, und ihr war’s egal, weil du ohnehin die Hälfte davon bezahlt hast.«
Ich sagte ihm, ich glaubte, das entspräche den Tatsachen. Ich hatte zwei Zimmergenossinnen auf der Uni, deshalb wäre auf der Ablage in der Dusche immer eine größere Anzahl von Haarpflegeprodukten versammelt gewesen. Und bei Leo und mir sei es genauso gewesen.
»Was ist, wenn du fertig bist? Ich meine, wenn du dein Praktikum hinter dir hast? Glaubst, dass es dann besser klappt?«
»Es klappt doch. Kann sein, dass ich nicht jedes einzelne Körperpflegeprodukt besitze, das ich vielleicht brauchen könnte, aber wer hat das schon, wenn er neu einzieht?«
»Das stimmt schon«, gab Ray zu. »Aber hier gibt es nur das Allernotwendigste, alles wirkt so nackt, dass man Depressionen kriegen könnte, wenn man nicht wüsste, dass das nur vorübergehend ist.«
»Ich werde mir einen Magneten zum Befestigen der Einkaufsliste kaufen. Leo hatte einen auf unserem Kühlschrank.« Ich zeigte aufs Bad. »Das Wasser läuft, und ich will hier keine Überschwemmung. Ich geh jetzt schlafen.«
Trotz meines anfänglichen Argwohns und des penetranten Geruchs nach neuer Matratze schlief ich sofort ein. Minuten mochten vergangen sein, oder eine Stunde, als ein Geräusch mich weckte - mein Name gepaart mit einem Stöhnen. »Doc?«, hörte ich, und gleich darauf, etwas lauter: »Alice?«
Ich musste mich erst orientieren: Daheim? Klinik? Piepser? Mensch? Ray . Jetzt fiel es mir wieder ein. Badewanne. Ich schaltete das Licht bei meinem Bett ein und folgte dem Geräusch ins Bad. »Ray? Alles in Ordnung?«
»Doc«, kam die Antwort. »Ich glaube, ich bin ohnmächtig geworden. Irgendwas stimmt nicht.«
»Was ist passiert?«
»Weiß ich nicht. Ich war ewig im Wasser, dann musste ich auf die Toilette, dann wurde mir schwindlig.«
Mir blieb nichts anderes übrig. »Ich hole mein Sphygmomanometer. Vielleicht hast du einen niedrigen Blutdruck, und zusammen mit der Schwüle da drinnen -«
»Du glaubst doch nicht, dass ich einen Schlaganfall hatte oder so was?«
»Nein, das glaube ich nicht. Warte. Ich hole meine Tasche.«
»Die Tür ist offen«, sagte er mit einer Stimme, die so schwach klang, dass mir angst und bange wurde.
Sekunden später war ich zurück und öffnete die Tür. Aufrecht und nackt stand er vor mir. Er hatte einen behaarten Körper, von der Hitze fleckige Haut, eine Tätowierung, einen Penis. »Ich bin mein Lebtag noch nicht ohnmächtig geworden«, sagte er. »Und ich habe schon tausend Bäder genommen, die mindestens so heiß waren wie das hier.«
Ich warf ihm sein Handtuch zu, ungefähr in Hüfthöhe und nahm sein Handgelenk.
»Du kannst das ohne Uhr?«
Ich gebot ihm Schweigen und verkündete fünfzehn Sekunden später, sein Puls sei langsam bis normal.
»Was soll ich jetzt machen?«
»Du wirst dich irgendwo hinsetzen, und ich werde dir den Blutdruck messen.«
Er ergriff meinen Arm und ging ganz langsam. »Du hättest dir eine Gehirnerschütterung zuziehen können, als du aus der Wanne gestiegen bist, oder Schlimmeres. Unfälle im Bad sind die Hauptursache für Verletzungen im Haushalt.«
»Ich bin wahrscheinlich zu einem hübschen kleinen Haufen zusammengesunken, sonst hätt ich mir den Schädel eingeschlagen.«
Ich öffnete meine luxuriöse schwarze Krokodilledertasche, die mir meine Eltern zum Studienabschluss geschenkt hatten und die man wegen des Monogramms nicht mehr umtauschen konnte. Ich legte ihm die Manschette um
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