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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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Vergangenheit lag - ein Schlüsselband aus Pfadfinderzeiten, ein gesticktes Gobelin-Halsband, bunte Metallund Plastikperlen, Ohrclips und ausgefranste Freundschaftsbänder. Sie leerte den Inhalt auf die Küchenplatte und breitete ihn flach aus. Gegen zwei dicke Klunker aus Jet und Strass erhob ich Einspruch, ebenso gegen zwei Papiermaché-Papageien so groß wie Labormäuse. Ich wollte gerade sagen, dass ich in meinem Ramschkorb sicher noch meine Ohrringe mit den Perlen finden würde, da sah Sylvie von ihren Schätzen auf und betrachtete meine Ohrläppchen. »Schon mal dran gedacht, sich Ohrringe stechen zu lassen?«
    Ich wich zurück und sagte, nein, niemals.
    »Ein Loch pro Läppchen«, beruhigte sie mich. »Nicht so einen Schweizerkäse wie bei mir. Eine Kreole würde sehr nett aussehen, wenn Sie die Haare aus dem Gesicht tragen. Nichts Knalliges. Nur dieses kleine je ne sais quoi .«
    »Vielleicht. Irgendwann, wenn ich mit meinem Praktikum fertig bin.«
    Sie lachte. »Für den Fall, dass einer in die offene OP-Wunde fallen könnte?«
    »Die Chirurgen, mit denen ich zu tun habe, tragen keine Ohrringe.«
    »Ich persönlich gehe nie ohne aus dem Haus. Ja, ich wäre sogar bereit, selbst Hand anzulegen. Jetzt gleich.«
    »Wo?«
    »Hal-lo. An Ihre Ohren. Ich. Jetzt. Meine sieben Löcher habe ich mir alle selbst gestochen.«
    »Aber ich bin morgen Abend eingeladen. Ich will da nicht mit blutenden Ohren auftauchen.«
    »Blödsinn.«
    Ich wollte nicht laut sagen, dass sie angehende Internistin im Praktikum war, keine Chirurgin, und dass ich bezüglich der Hygiene im Falle einer Küchenoperation meine Zweifel hatte.
    »Hinsetzen. Ich hole meine Instrumente.«
    Gehorsam wich ich zurück und ließ mich auf einem Küchenstuhl nieder. Sylvie klapperte herum, überglücklich, wie mir schien, und kam mit einem Frotteehandtuch, mehreren alkoholgetränkten Tupfern und einer Nähnadel wieder. Von ihrer nächsten Expedition kehrte sie zurück mit einer Flasche Desinfektionsmittel und einem Paar Goldohrringe in Form kleiner Kugeln mit einem Diamantensplitter in der Mitte. Zum Abschluss gab es Eiswürfel in einer Müslischale. »Erste Regel, wir benutzen etwas, das Stecker aus mindestens 14 Karat Gold hat. Zweite Regel, wir nehmen etwas, das ich nicht mehr trage.« Jetzt stand sie vor der Spüle und schrubbte sich Hände, Finger, Nägel, Fingerseiten, immer wieder, sogar bis hinauf zu den Ellbogen. Aus dem Schrank unter der Spüle zog sie Einweghandschuhe - wobei sie sich, wie ich nicht umhin konnte zu bemerken, wieder verunreinigte - und legte sie auf ein Stück Küchenrolle. »Ich weiß, ich weiß - nicht gerade OP-Standard. Aber ich glaube, für den bevorstehenden Eingriff bin ich antiseptisch genug.«
    Ich sagte nichts. Anderen zuschauen. Selber machen. Anderen beibringen.
    » Regardez : Ich benutze nicht nur eine neue Nadel, die noch nie einen lebendigen Organismus durchbohrt hat, sondern ich sterilisiere sie auch wie folgt« - sie zündete ein Streichholz aus einer Schachtel auf dem Herd an und hielt die Flamme an das spitze Ende der Nadel - »und kühle sie jetzt mit Alkohol ab.«
    »Die Hände«, erinnerte ich sie.
    »Kein Problem«, sagte sie und hatte schon die Handschuhe an. Ein Eiswürfel und eine Nadel näherten sich mir.
    »Brauche ich nicht vielleicht einen Tupfer Betadin?«
    »Zu viel des Guten. Außerdem potthässlich. Augen zu. Ich hab noch nie ein Ohr verloren.«
    »Sagen Sie mir, was Sie tun, während Sie es tun.«
    »Ganz bestimmt nicht.«
    Ich spürte das Eis, vorn und hinten. Dann den Stich - erträglicher Schmerz -, dann den Weg der Nadel. Ich fragte, ob es stark blute. Sylvie sagte: »Ein Tropfen … ideal platziert. Ihre Ohrläppchen sind wie geschaffen. O. K. Jetzt den Ohrring … manchmal nicht ganz einfach ihn durchzukriegen. Verzeihung … fast … geschafft! Ohrring-Stopper sitzt. Die Hälfte haben wir hinter uns. Wollen Sie’s sehen, oder sollen wir fertig machen?«
    »Fertig machen.«
    »Noch mal Eis. Gefühllos genug?«
    Ich sagte, so schlimm sei es ja nicht, und dachte an mich, wie ich eine Vene suchte, wie ich mich bemühte, einen Katheter in die obere Hohlvene einzuführen. Das hier war nichts, dafür gab es nicht einmal ein Antragsformular für die Aufnahme in die Akademie der Leidenden.
    Als beide Ohrringe an ihrem Platz waren und ich die Anweisungen für nächtliches Drehen und Desinfizieren entgegengenommen hatte, holte sie eine Flasche Wein hervor.
    Ich sagte, ich würde die Ohrringe

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