Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift
und wenn, dann nicht absichtlich«
Ich sagte: »Ich habe nicht viel Geburtshilfe gemacht, außer während meiner Famulatur, ich kenne also keine Statistiken.«
»Es gibt keinen lebenden Chirurgen, der Hausgeburten befürwortet«, verkündete Meredith. »Sie wären die Erste. Und das würde mich sehr wundern.«
»Moment«, schaltete Ray sich ein, »Sie hat doch gerade gesagt, dass sie nicht viel Geburtshilfe gemacht hat. Sie können sie nicht mit anderen Chirurgen in einen Topf werfen. Sie hasst Chirurgen.«
»Wenn das so ist«, meldete sich Leo wieder zu Wort und lächelte freundlich, »dann ist es ja auch nicht ausgeschlossen, dass Alice eines Tages aufwacht und sich sagt: ›Was tue ich eigentlich in einer Unterdisziplin, die Leibeigenschaft gleichkommt, mit lauter aggressiven Arschlöchern als Vorgesetzten? ‹«
»Vielleicht geht es mir ja schon viel besser«, sagte ich.
»Wirklich?«, fragte Jackie. Sie hatte mir die Hand auf den Rücken gelegt und auf einen passenden Moment gewartet, um das Essen anzukündigen: »Es gibt geräucherte Blaubarsch-Paté und Graved Lachs, wenn jemand was knabbern will.«
»Wie lang dauert Ihre Bewährung?«, fragte mich Meredith.
»Zwei Monate.«
»Ein Alptraum«, sagte sie. »Zwei Monate unter Beobachtung, und alle warten darauf, dass man sich selbst ins Bein schießt.«
»Hab schon Schlimmeres gehört«, meinte Henry. »Als ich in der Chirurgie anfing, haben sie mir zwei Wochen gegeben, mich am Riemen zu reißen.«
Ich witterte einen Akt der Nächstenliebe und lächelte. Das konnte nicht stimmen. Wenn das Wort Bewährung jemals in seinen Studiennachweisen aufgetaucht wäre, dann hätte er das bei der Suppe in der Kantine laut heraustrompetet.
Ray fragte Meredith, was für Stationen man durchlaufen musste, um Hebamme zu werden. Musste man drei Tage am Stück arbeiten mit einem Nickerchen alle zwölf Stunden, wenn man Glück hatte?
Ich sagte: »Ich muss nicht drei Tage am Stück arbeiten, Ray.«
Leo war der Einzige, der zu den Häppchen abgewandert war. Er lehnte an der Wand, etliche Meter von unserem Zirkel entfernt.
Ray sagte zu Meredith: »Ich schätze, Sie haben eine ziemlich geregelte Arbeitszeit - ich weiß schon, Sie holen Babys auch mitten in der Nacht auf die Welt, aber ich nehme an, Sie haben eine Schicht. Sie arbeiten eine bestimmt Anzahl von Stunden, und wenn’s Zeit zum Wechseln ist, dann übernimmt eine andere. Stimmt das?«
»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte sie zurück.
»Auf gar nichts. Mir kam es nur so vor, als hörte ich etwas in Ihrer Stimme, das mir so klang, als glauben Sie, dass Alice auf Bewährung ist, weil sie nicht schlau genug oder nicht gut genug ist.« Er lächelte. »Drum ist mir wahrscheinlich ein bisschen der Kamm geschwollen.«
Meredith lächelte ebenfalls. Ein eisiges Lächeln, dessen alleinige Geburtshelferin die Diplomatie gewesen war. »Tut mir Leid, dass Sie das so sehen. Ich glaube das keineswegs. Ich habe den größten Respekt vor Ärzten.«
Aus seiner Ecke heraus lachte Leo und hob seine Flasche an den Mund.
Auch Henry lachte. Da lachte ich auch, obwohl mir nicht ganz klar war, wo der Witz lag. Rays Gesichtsausdruck verwandelte sich langsam von bös- zu gutartig. Sie lachten über Meredith oder ihre Lüge, oder ihre Fähigkeiten als Debattenrednerin. Über wen sie eindeutig nicht lachten, das war Ray Russo oder die Trantüte, die ihn mitgebracht hatte.
Sitzordnung: Die Gastgeber an den beiden Enden der Tafel. Ray und Meredith auf der einen Seite, Leo und ich, unseren jeweiligen Partnern gegenüber, nebeneinander auf der anderen. Ein Partyservice hatte zwei knusprig gebratene Enten mit Sauce und kleinen Gemüsebouquets geliefert. »Früher habe ich selbst gekocht«, sagte Jackie, »aber mit der Zeit habe ich den Glauben daran überwunden, dass mein Selbstwert von der Anzahl der Stunden abhängt, die ich in die Vorbereitung eines Abendessens investiere.«
»Ich auch«, pflichtete Leo ihr bei. »Einer der schönsten Tage in meinem Leben war der, an dem das Grillhähnchen zum Mitnehmen erfunden wurde.«
»Das ist Ente«, sagte Meredith.
»Ich mag Ente«, sagte Leo. »Ich hab früher die Enten bei uns am Speichersee gefüttert, wenn ich meiner Mutter ein paar alte Brotkanten entwinden konnte.«
»Leo ist eines von einem Dutzend Kindern«, warf ich ein.
»Von dreizehn, um genau zu sein.«
»Alle nach Päpsten und Heiligen benannt«, ergänzte ich.
»Woher wissen Sie das?«, fragte Meredith.
»Von seiner
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