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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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zu stellen?
    »Ist es, weil er verheiratet ist, oder die Sache mit dem schamlosen Sex, die dir so zu schaffen macht?«
    »Kennst du diesen Mann gut? Ich habe nämlich das Gefühl, dass diese Beziehung eine Kombination von verstohlenen Blicken und anfallsartigem Sex ist.«
    Sie wurde einer Antwort enthoben, weil ich in dem Moment, als wir die Doppeltür zur Klinik erreichten, meine Nemesis erblickte: Dr. Charles G. Hastings, der auf den Fahrstuhl wartete und mit seiner üblichen ärgerlichen Miene auf seine Uhr sah. Sonntagmorgen, das sah nach Notfall aus. Hochgereicht von den jungen, unerfahrenen Kollegen zu einem ordentlichen Professor, der - wie er nie versäumte, uns in Erinnerung zu rufen - niemals zu Hause gestört werden durfte. Mein Arm ging hoch, um Sylvie am Weitergehen zu hindern. Genau in dem Augenblick, als Sylvies Arm hochging, um mich aufzuhalten.
    »Schnell«, sagte ich. »Umdrehen.«
    Wir hatten schon wieder die halbe Strecke hinter uns, als ich endlich sagte: »Entschuldige. Ich wollte nur eine Begegnung mit ihm vermeiden. Das war der, der mit dem Skalpell nach mir geworfen hat, als mir der Wundhaken ausrutschte.«
    Sylvie murmelte etwas Unverbindliches.
    Ohne die geringste Erfahrung bei der Äußerung heikler Dinge wagte ich mich jetzt gleich an mehrere gleichzeitig: »Du wolltest wahrscheinlich, dass ich mich ihm stelle, oder? Dass ich mich in meinen Turnlatschen vor ihn hinstelle und sage: ›Hallo, Dr. Hastings. In letzter Zeit mal wieder Jungärztinnen blöd angemacht?‹ Das wäre nämlich genau das gewesen, was ich laut Leo gleich am Tag nach meinem Beinahe-Rauswurf hätte tun sollen.«
    »Hmm?«
    »Dr. Hastings? Der, der mich rausschmeißen wollte. Ich hab dir davon erzählt - die Gallenblasenoperation.«
    »Ah ja.«
    »Irgendwann werde ich mal unter ihm arbeiten müssen. Und ich träume davon, dass ich ihm dann sage: Ich erwarte eine Entschuldigung von Ihnen, Dr. Hastings. Was Sie gesagt und getan haben, war unverzeihlich. Ich habe mit einer Anwältin gesprochen, und sie ist derselben Meinung. Ein Fall von Schikane noch, und wir hängen Ihnen einen Prozess an - Ihnen und Ihresgleichen.«
    »Was ist denn in dich gefahren? Prozess. Ihresgleichen . Hast du echt einen Anwalt konsultiert?«
    »Nein. Das war Originalton Leo. Er war einmal Vorsitzender des Beschwerdeausschusses der Krankenpflegergewerkschaft. Wir haben das so lange geübt, bis ich es draufhatte.«
    »Guter Mann«, sagte sie, aber wenig überzeugend.
    »Noch eine Runde?«
    Es täte ihr Leid, sagte sie, keine Zeit. Sie müsse noch etwas nachlesen. Morbus Crohn. Für ein Gespräch. Einen Stapel Artikel, die sie sich ausgeschnitten und nie gelesen hatte. Außerdem sei sie k. o. Würde sich wahrscheinlich kurz hinlegen müssen, bevor sie mit dem Lesen beginnen konnte.
    Ich sagte, O. K. Sport und Beichte beendet. Zurück zur Medizin. Zurück zum Tagebuch einer Chirurgin . Beziehungsweise zurück ins Bett.
     
    Am nächsten Vormittag diagnostizierte ich einen Pneumothorax. Und nicht genug damit, gelang es mir auch auf Anhieb, den Schlauch in die Brustfellhöhle einzuführen. Niemand applaudierte, aber der Erste Assistenzarzt sagte, nachdem er die Geräusche gehört hatte: »Sehr geschickt.«
    Am Tag darauf hatte ich noch immer Dienst in der Notaufnahme: tiefe Schnittwunde im Daumen eines zweiundfünfzigjährigen Mannes, Verletzung verursacht durch Deckel einer Büchse Thunfisch. Der Assistenzarzt vom Vortag trat beiseite: »Dr. Thrift übernimmt. Wie wir alle wissen, können Frauen viel besser nähen. Und sie ist nicht nur ein alter Hase in der Notaufnahme. Sie ist auch Chirurgin.« Die acht kunstvollen Stiche waren kein Problem, aber dann machte ich auch noch einen Witz: »Das nächste Mal versuchen Sie’s vielleicht mit Erdnussbutter und Marmelade.« Damit bewies ich, dass unter dem weißen Kittel ein Menschenherz schlug und entlockte dem Patienten ein - wenn auch brummiges - Lachen, während ich Gaze um meine wirklich schöne Arbeit wickelte.
    Freitag: Ein sechzehnjähriges Mädchen stellt sich vor und klagt über heftige Unterleibsschmerzen. Begleitet wird sie von einem fahrigen Teenager, dessen Jeans freien Ausblick auf den Gummibund seiner Boxershorts geben. Patientin stöhnt, gibt an, Abführmittel gegen die Schmerzen genommen zu haben. Ohne Erfolg. Sofortige und zweifelsfreie Diagnose meinerseits: schwanger, hat Wehen, möglicherweise in der Übergangsphase, ganz bestimmt auf dem Verweigerungstrip.
    Früh am nächsten Morgen:

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