Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift
kennst das. Ich bin in die Mannschaft eingetreten, und innerhalb eines Jahres war ich die Anführerin der Stabschwinger. Ich hab Kimberly Perreault von diesem Platz verdrängt, die mir das nie verziehen hat. Ich durfte die silbernen Stiefel mit den Troddeln anziehen und die Paraden anführen. Und zwar nicht in Texas oder Alabama, sondern in Pittsburgh, Pennsylvania.« Sie lächelte. »Wenn du das je einer Menschenseele erzählst, streite ich alles ab.«
Ich fragte sie, wie ihr ausgerechnet etwas so Exhibitionistisches, eine sportliche Glanzleistung, geholfen hatte, ihre Schüchternheit zu überwinden? War es nicht grauenhaft, sich in ein Kostüm zu werfen, vermutlich auch noch ein ziemlich knappes, und eine Parade durch die Straßen von Pittsburgh anzuführen?
»Das ist ja das Allerpeinlichste an der Sache, denn es zeigt, was für eine oberflächliche Tussi ich war. Mit dem Stabschwingen kam ich aus dem Haus und wurde plötzlich auf Partys eingeladen, die hauptsächlich von Cheerleadern und Sportskanonen frequentiert wurden. Und auf einmal kam ich auch aus meinem Schneckenhaus. Ist das nicht das Allerletzte? Beliebtheit hat mich geheilt.« Sie schüttelte den Kopf. »Meine Mutter war hin und her gerissen: Was war ihr als Tochter lieber - ein Mauerblümchen, oder eine, die mit kurzem Röckchen und nacktem Bauch über Football-Felder hopste und sich mit Katholiken verabredete? Ich musste Medizin studieren, um meine Oberflächlichkeit wieder gutzumachen.«
Ich kannte Stabschwingerinnen und Cheerleader von der High School, allerdings nur von weitem. Keine von ihnen, da war ich mir ziemlich sicher, war Ärztin geworden. »Wahrscheinlich neige ich dazu, Menschen in Schubladen zu stecken«, sagte ich. »Aber kratz mal an einem Arzt, und darunter kommt jemand zum Vorschein, der in der Schule unbeliebt war. Außer, dass er oder sie für Ämter kandidiert hat, die sich auf dem Bewerbungsbogen für eine Uni gut machen.«
»Du steckst niemanden in Schubladen - jedenfalls nicht, wenn du dich mit diesem, wie heißt er noch mal?, triffst.«
Wir waren am Klinikeingang angekommen und wendeten. Sylvie hatte Recht: Der flotte Marsch hatte mir meinen Kater schon einigermaßen ausgetrieben. Ich sagte: »Ich bewundere, wie du Leuten mit der größten Selbstverständlichkeit persönliche Fragen stellen kannst, ohne dass es klingt, als wärst du hinter ihrer Lebensgeschichte her.«
»Danke«, antwortete Sylvie. »Dann frag ich dich doch gleich, ob dein Freund über Nacht geblieben ist.«
»Er ist nach dem Abendessen noch mit hoch gekommen, aber dann ist er wieder gegangen.«
»Aha.«
»Aus dieser Perspektive kennen wir uns noch nicht allzu lang.«
Als sie nicht weiterfragte, sagte ich zur Verstärkung: »Ich meine Sex … das hat erst angefangen, als ich hierher gezogen bin. Das erste Mal ist es durch einen Unfall passiert.«
Sylvie lachte.
»Nein, im Ernst. Es war praktisch eine platonische Freundschaft, bis er in meinem Bad ohnmächtig geworden ist und eins zum anderen führte.«
»Ich glaube, dass es dir und deiner Arbeit sehr gut tun wird, wenn du ein sexuelles Ventil hast.«
Ich bedeutete ihr, die Stimme zu dämpfen. Die Akustik im Tunnel machte ihn nicht gerade zum idealen Ort für vertrauliche Gespräche. »Was ist mit dir?«, fragte ich kühn. »Gibt es da einen ganz besonderen Menschen, von dem ich wissen müsste?«
Sie blieb stehen, kniete sich hin und band sich einen Schnürsenkel, der mir keineswegs gelockert schien.
»War das jetzt die falsche Frage?«
Sie blickte in beide Richtungen, dann sagte sie: »Ich bin nicht sicher, ob du wirklich was über diesen ›besonderen‹ Menschen, wie du ihn so schön altmodisch bezeichnest, wissen willst. Wegen gewisser Aspekte, die dich schockieren könnten, und anderer, die das Ganze alles andere als koscher erscheinen lassen.«
»Ich bin nicht ganz unaufgeklärt. Was es auch sei, du bist und bleibst meine Freundin. Kategorie und Geschlecht spielen überhaupt keine Rolle. Und ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnt habe - ich bin nämlich so daran gewöhnt, dass ich nie darüber nachdenke -, meine Schwester ist lesbisch.«
Sylvie lachte und stand wieder auf. »Ich wusste, dass es darauf hinauslaufen würde. Aber ich dachte mir, ich lasse dich diesen Satz ruhig ein wenig malträtieren, bevor ich sage: ›Tut mir Leid, es ist ein Mann.‹« Sie verfiel wieder in ihren flotten Schritt, aber mit zwei großen Schritten holte ich sie ein.
»Ist der Typ auch
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