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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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aus dem Abendmahl, Herzstück der christlichen Messfeier , in den vier Evangelien tatsächlich nicht vorkam.
    »Jetzt wissen wir«, fuhr Dr. O’Hanrahan selbstzufrieden fort, »daß der Satz Tut dies zu meinem Gedächtnis in manche Lukasmanuskripte eingefügt wurde, als die Kirche sich immer stärker in die Symbole der Kommunion verliebte, die ebenso wie die Beichte ursprünglich aus Persien stammte. So kam der Satz im
    2. Jahrhundert in manche Ausgaben des Lukasevangeliums. Aber das legt, meine ich, den Schluss nahe, Dr. Whitestone, daß der Satz um dieselbe Zeit auch den Paulustexten hinzugefügt wurde. Ich bin nicht so sicher, daß Paulus wirklich vom Abendmahl wusste . Ich bin nicht einmal sicher, was Jesus darüber gedacht hätte, da er prinzipiell gegen jedes Ritual war.«
    Der Rabbi lächelte. »Dies ist mein Leib, der für euch hingegeben wird, soll Jesus gesagt haben, aber weder im Hebräischen noch im Aramäischen gibt es eine Entsprechung für der für euch hingegeben wird. Das bedeutet: Der Satz war ursprünglich griechisch und stammt jedenfalls nicht von Jesus.«
    »Ah«, schaltete sich Pater Basilios ein, »aber Jesus hat Griechisch gesprochen. Er zitiert die Septuaginta, die griechische Übersetzung des Alten Testaments. Er hat in Gadara und im griechischsprachigen Dekapolis gepredigt.«
    »Mein Argument ist, daß die Christen nichts Einmaliges haben«, erklärte der Rabbi hitzig. »In der Genesis 14,18 sehen wir das Abendmahl vorweggenommen – von Melchisedek – aber von Ihnen kennt ja keiner seinen Pentateuch. Ich glaube, die ›Erfindung‹ des christlichen Abendmahls ist zeitgleich mit dem Hebräerbrief, der den frühen Kult um Melchisedek zeigt, der im Neuen Testament, kurios genug, als unbefleckt empfangen bezeichnet wird. Unbestreitbar eine Hinzufügung des 2. Jahrhunderts.«
    »Wie das Kreuz und auch die Kreuzigung«, behauptete Dr. Abdullah und erntete damit heftigen Widerspruch und interessiertes Gelächter. Dr. Gribbles räusperte sich und wandte ein: »Mir scheint, daß Paulus eine ganze Menge über den Menschen Jesus weiß, mehr als unser geschätzter Imam zugeben würde. Er spielt auf Christi Demut an. Nicht gerade ein alltäglicher Zug bei einer Messiasgestalt jener Zeit. Und Paulus weiß mit Sicherheit von der Kreuzigung. Während nämlich die Juden Zeichen fordern und die Griechen Weisheit suchen, predigen wir Christus, den Gekreuzigten, heißt es im 1. Korintherbrief 1,22.«
    »Seltsam, daß Sie gerade den heranziehen«, entgegnete Dr. O’Hanrahan. »Während die Juden Zeichen fordern. Allen Evangelien zufolge, die nach Paulus geschrieben wurden, hat Jesus Zeichen, Heilungen und Wunder vollbracht. Paulus dagegen scheint von keinem einzigen Wunder zu wissen.«
    Dr. Abdullah zuckte heiter die Achseln.
    Dr. O’Hanrahan fuhr fort: »Was die Kreuzigung betrifft, ist Paulus in zuverlässigeren Texten nicht immer so klar. Dr. Gribbles, haben Sie die überarbeitete Standardausgabe da?« Dr. O’Hanrahan fummelte nach seiner Lesebrille. »Römerbrief 4,24«, bat er.
    Pater Keegan, aufgewärmt nach dem raschen Genuss von vier Gläsern Portwein, beugte sich über sein
    Buch und las laut vor: » … sondern auch um unseretwillen, denen es angerechnet werden soll, die wir an den glauben, der unsern Herrn Jesus von den Toten auferweckt hat, der um unserer Übertretungen willen hingeopfert …«
    »Ah, ah«, meinte Dr. O’Hanrahan. »Wir wissen alle, welches Verb dafür im Griechischen steht.«
    »Paradidonai«, leistete Lucy ihren ersten Beitrag des Abends. Ein kurzes, anerkennendes Schweigen folgte ihren Worten. »Das ist korrekt«, bestätigte Pater Basilios.
    »Was nicht bedeutet ›hinopfern‹«, argumentierte Dr. O’Hanrahan weiter. »Es ist dasselbe Verb wie im
    1. Korintherbrief 11,23.« Er blätterte rasch durch die Seiten. »Die Verbform lautet hier paredidoto, und das bedeutet nicht ›er wurde verraten‹. Das Verb paradi donai bedeutet ›ausliefern‹.« Der Rabbi unterbrach ihn: »So wie in der Septuaginta Jesaja der leidende Diener ›ausgeliefert‹, also fortgebracht wird.«
    »Christen übersetzen dieses Wort immer noch, wie es ihnen passt – umgebracht, gekreuzigt, verraten«, fuhr Dr. O’Hanrahan fort, »aber Paulus und Teile aller vier Evangelien sagen dies an vielen Stellen nicht notwendigerweise aus. Im Original heißt es ›ausgeliefert‹. Im Hinblick auf den Tod des historischen Jesus ist diese Aussage viel unbestimmter.«
    »Unsinn«, erwiderte der Archimandrit

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