Der dreizehnte Apostel
des Christentums Angst bekamen.« Lucy trank ein Glas Wasser ums andere. Sie hatte Kopfschmerzen, aber immerhin war sie nicht mehr sternhagelvoll, sondern nur noch beschwipst.
»Aber was, Schwester«, fragte Pater Basilios, während er zurückblätterte, »wollen Sie mit dem 1. Korintherbrief 14,34 machen?« Er las vor: »So sollen die Frauen in den Versammlungen schweigen; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie es auch das Gesetz sagt. Und so weiter. Denn es ist unschicklich für eine Frau, in einer Gemeindeversammlung zu reden. Sicher sind Sie doch der Meinung, daß der 1. Korintherbrief von Paulus stammt, nicht wahr?«
»Ja, aber nicht diese Passage. Sie wurde in der Zeit
des Timotheusbriefs hinzugefügt …«
»Sie können sich nicht einfach herauspicken, was Ihnen in den Kram passt .«
»Pater, darf ich Sie auf 11,4 im selben Brief verweisen: Jeder Mann, der beim Beten oder prophetischen Reden etwas auf dem Haupte hat, entweiht sein Haupt. Jede Frau aber, die mit unverhülltem Haupte betet oder prophetisch redet, entweiht ihr Haupt. Sehen Sie? Im selben Brief bezieht sich Paulus auf Frauen, die prophetisch redeten, was vermutlich laut geschah und nicht sehr still. Ihre spätere Passage ist eine Anstandseinfügung der verknöcherten alten Junggesellen. Ebenso wie niemand Paulus’ Edikte über Kopfbedeckungen allzu ernst nimmt, möchte ich auch hoffen, daß wir seinen gleichermaßen kuriosen Sexismus beiseite schieben können.«
Darauf folgten weitere Belanglosigkeiten über lächerliche Verbote der frühen Kirche. Dr. O’Hanrahan ergriff die Gelegenheit, Lucy zuzuflüstern: »Kaum anzunehmen, daß Sie mir neue Finanzmittel aus Chicago bringen, oder?«
Lucy erkannte, daß die Verlockungen des Mammon die Verbindung offenhalten könnten. »Vielleicht. Kommt darauf an, was Sie machen. Und was Sie mir verraten.«
»Viel zu viele Leute wissen bereits, was ich mache«, erwiderte er, »und ich bin nicht gewillt, mich noch einmal betrügen zu lassen.«
»Hat Gabriel Sie betrogen?«
»Ja. Aber ich habe nicht vor, darüber zu sprechen.« Ein müder Diener erschien wieder mit der Wasserkaraffe neben Lucy; sie gab ihm einen Wink, ihr nachzuschenken. Sie ertappte sich dabei, daß sie Schwester Marie-Berthe anstarrte: eine weltgewandte Gelehrte. Und sie behauptete sich gegen, nun ja, verknöcherte alte Junggesellen, die sich nicht sehr von den alten Griesgramen unterscheiden mochten, die die Pseudo-Paulusbriefe geschrieben hatten. Wo warst du, fragte sich Lucy, als wir dich gebraucht haben, damals im 1. und 2. Jahrhundert nach Christus?
(Es hat viele Marie-Berthes gegeben, das können Wir dir versichern.)
»Typisch Mann, so etwas zu sagen«, erwiderte die Schwester dem Anglo-katholiken Dr. Gribbles, der sie mit der Frage gehänselt hatte, ob man Frauen als Priester zulassen dürfe. »Jesus reist mit Frauen, kümmert sich um Frauen, befreit Frauen. Durch die Einführung der christlichen Gemeinde und später der Klöster kann eine Frau plötzlich etwas anderes sein als nur Besitz des Mannes.« In der Hoffnung, Dr. Abdullah in die Diskussion zu ziehen und so den Islam für seine Behandlung der Frauen anprangern zu können, fragte die Schwester: »Auch der Islam wirkte zu Anfang auf dieselbe Art befreiend für die Frauen, nicht wahr, Dr. Abdullah?«
»Sehr befreiend für die damalige Zeit«, stimmte der Gelehrte zu. Die Schwester fuhr fort: »Mohammed betonte, daß Frauen und Männer vor dem religiösen Gesetz gleich seien. Eine Frau konnte ebenso gegen einen Mann auf Scheidung klagen, wie ein Mann es gegen eine Frau konnte. Sagen Sie mir, Dr. Abdullah, was hat man vor dem Propheten mit den meisten weiblichen Kindern gemacht?«
»Ach! Man hat sie lebend begraben, wie Mohammed in seinem Heiligen Koran, Sure 16,60, berichtet.«
(Ach, die Tränen Osmans, später dritter Kalif. In der Zeit vor Mohammed weinte er nur einmal: als seine kleine Tochter den Staub aus ihres Vaters Bart schüttelte, gerade als er sie, sich windend vor Schmerz, ins Grab legte.)
Schwester Marie-Berthe hob in strengem Tadel den Finger gegen die anwesenden Männer: »Aber man muss den alten Mackern nur genug Zeit lassen, und sie zerstören alle Fortschritte, die von den großen Männern der Religion für die Frauen erreicht worden sind. Nicht mit viel Geld würden Sie mich heute dazu bringen, eine muslimische Frau zu sein, Dr. Abdullah. Frauen in Pakistan, die sich für eine höhere Bildung
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