Der dreizehnte Apostel
entschieden haben, wird von Fanatikern an den Universitäten Säure ins Gesicht geschüttet; in Saudi-Arabien ist es ein Verbrechen, wenn eine Frau Auto fährt … die Beispiele sind zahllos.«
»Ich unterstütze nicht das, was manche im Islam Frauen angetan haben«, begann Dr. Abdullah, »aber es ist doch schwierig, nicht wahr, zu unterscheiden, welche Überlieferungen erleuchtet sind und welche nicht. Die hadiths, unsere überlieferten Regeln aus der Zeit des Propheten – möge er in Frieden ruhen –, stellen die Hälfte unserer Religion. Die andere Hälfte ist der Heilige Koran. So wie es im Judentum eine geschriebene Thora, aber ebenso eine mündliche Thora gibt«, erklärte er und lächelte den Rabbi an.
Der Rabbi verzog das Gesicht, weil seine Thora mit dem Koran in Verbindung gebracht wurde, nickte aber gnädig zurück. »Oh, ich halte das nicht für so verteufelt schwer«, entgegnete die Schwester störrisch. »Fragen Sie nur mich, ich werde Ihnen sagen, was dumm ist und nicht von Gott kommt.«
Ich liebe Schwester Marie-Berthe, dachte Lucy. Wo waren diese Nonnen, als ich aufgewachsen bin? Meine Mutter hätte vielleicht ihren Willen bekommen, und ich wäre einem Orden beigetreten, wenn es dort denkende, unabhängige, kämpferische Nonnen als Vorbilder gegeben hätte. Von neuem ließ sie dieses Stück ihrer Vergangenheit Revue passieren. Ja, meine Mutter hätte es gern gesehen, wenn ich das wirklich durchgezogen hätte. Es ging schon los mit meiner Namensgeberin, meiner Tante Lucy, der Schwester meiner Mutter. Ich war das zweite von drei Mädchen, ich wurde nach Tante Lucy benannt, und ich war von Anfang an dazu bestimmt, Tante Lucy, die Ordensschwester war, nachzufolgen. Ich sollte die Nonne in der Familie sein, da der vorgesehene Priester in der Familie, mein Bruder Nicholas, ins Priesterseminar Nôtre-Dame geflohen war, dann das Seminar verlassen hatte, um in die Werbung zu gehen; und nun lebt er in New York, angenehm und herrlich weit weg von der täglichen Plage des Dantan-Familienlebens.
Lucy krümmte sich förmlich, als sie ein altes Bild wieder vor sich sah: Sie war ungefähr sechs Jahre alt. Ihre Mutter hatte mit sieben anderen Frauen ein Kar tenkränzchen – mit den Frauen aus ihrem KardinalNewman-Gebetskreis. Lucy kam herein, kurz vor der Zeit, in der sie zu Bett gehen musste , in ihrem YogiBär-Schlafanzug, schloss die Augen, kniete sich hin und sagte für die freundlichen Damen in perfektem Latein das Vaterunser auf. Alle gaben ihr ein Küsschen , waren begeistert von ihr und sagten der stolzen Mutter, ihre Tochter sei eine kleine Heilige. Dieser stürmische Beifall prägte einen großen Teil ihrer frühen Kindheit; ihre Vorbilder fand sie in den Legenden der heiligen Bernadette, der heiligen Faith und leidender Jungfrauen; zu diesen Heiligen konnte sie beten, sie konnte sie nachahmen. Immerhin war sie noch davor zurückgeschreckt, mit der Jungfrau Maria persönlich zu sprechen!
(Was ist mit Schwester Hildegard?)
O Gott, dachte Lucy, und fühlte sich noch deprimierter. Schwester Hildegards Totenwache. Die Frau war ungefähr fünfundachtzig gewesen und hatte schon längst nicht mehr in St. Eulalia unterrichtet, als Lucy dort Schülerin war, aber sie hatte dort seit der Gründung dazugehört. Als sie schließlich starb, verkündete Schwester Miriam, der Schrecken von St. Eulalia, es werde eine Andacht und ein Nachtgebet für Schwester Hildegard geben, und jede Schülerin, die es irgendwie einrichten könne, solle am Samstag zwischen drei und fünf Uhr nachmittags daran teilnehmen. Als ob irgendein Kind freiwillig einen Samstagnachmittag so verbringen würde!
(Aber du hast es getan, Mein Kind.)
Ja. Ich bin hingegangen. Ich und Faith Kopinski, die noch frömmer war als ich. Vierzehn Jahre war ich damals. Stundenlang saß ich in meinem Zimmer und versuchte, mir eine gute Ausrede auszudenken, um nicht hingehen zu müssen, aber ich hatte das Gefühl, Gott, der Heilige Geist und Maria würden mich beobachten; ich dachte an die arme Schwester Hildegard, alt und schwach und jetzt droben im Himmel, und sie würde herabblicken und keine einzige Schülerin aus der Lehranstalt sehen, der sie ihr Leben gewidmet hatte, nicht eine einzige, die gewillt war, Lippenbekenntnis für sie abzulegen. Ich ging kurz hinaus und spielte mit meiner Schwester Cecilia, um mich abzulenken, aber ich fühlte mich miserabel; ich log, sagte, ich wolle mit einer Freundin fernsehen, rannte aber heimlich nach Hause, zog mich
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