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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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Hörer. Wenn O’Hanrahan in Schwierigkeiten war, würde er ganz sicher Eleni Matsoukis anrufen. Lucy nahm das Telefonbuch und schlug die Nummer nach. Sie wählte die ersten vier Zahlen, legte dann aber wieder auf. Nein, wenn er in Gefahr war, würde er es nicht riskieren, die Matsoukis in Aufregung zu versetzen. Und wenn Stavros den Hörer abnahm?
    Lucy legte sich wieder aufs Bett und spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Irgend etwas war ganz und gar nicht in Ordnung.
    PIRÄUS
    22. Juli 1990
    Lucy stellte ihre Tasche bereit, packte ihre Souvenirs, ihre Kleider und ihre Kosmetiktasche ein, vielleicht zum letztenmal. Es hatte den Anschein, als sei es mit O’Hanrahans Glück nun endgültig vorbei. Würde er – oder noch schlimmer, würden sie beide – in den Händen der Polizei landen? Während ihrer schlaflosen Nacht hatte sie sich vorgestellt, der unverbesserliche Dr. O’Hanrahan sei dabei erwischt worden, als er eine Schriftrolle stehlen wollte, oder bei etwas Ähnlichem – irgendein letztes Bravourstück des alten Mannes. Und nun würde er sich vor dem griechischen Volk und dem Minister für das antike Erbe verantworten müssen. Und sie würde per Flugzeug vielleicht schon in achtundvierzig Stunden in Chicago sein. Sie war auf das Schlimmste gefasst . Lucy bezahlte die Rechnung mit der VISA-Card und gab den Schlüssel an der Rezeption ab. Sie sah Hossein und Abdul, die plaudernd neben ihrem Gepäck standen. Sie waren gekommen, um sich von ihr zu verabschieden.
    »Nun, Abdul«, sagte sie, gab ihm einen Zettel mit ihrer Adresse in Chicago und reichte ihm die Hand, »es war ein Vergnügen. Und wenn Sie je in Chicago sind, besuchen Sie mich.«
    »Ich hoffe ebenfalls, Sie eines Tages in Damaskus zu sehen.« Hossein lächelte breit, und Lucy fühlte sich unbehaglich.
    »Haben Sie ein Taxi zum Flughafen?« fragte sie.
    »Nein, Sie wissen, wie schwer es in Athen ist, ein Taxi zu bekommen«, antwortete er niedergeschlagen. »Hossein und ich nehmen den Bus nach Piräus, wo es viele Taxis gibt, und nehmen ein Taxi von dort aus.«
    Sie lächelte. »Ich fahre auch nach Piräus, mit der U-Bahn.«
    Abdul war begeistert. »Es gibt tatsächlich eine U-Bahn nach Piräus?« Bald waren alle drei mit ihrem Gepäck auf dem Weg zur belebten U-Bahn-Station Monastiraki fünf Straßen weiter, über den Markt, durch die Touristenscharen und die endlosen Reihen von Amphoren und gefälschten rot-schwarzen Lehmziegeln hindurch.
    Als sie ihre Fahrkarten entwerteten, fragte Lucy Abdul: »Könnten Sie Ihren Bruder noch einmal für mich fragen, unter welchen Umständen er Dr. O’Hanrahan gesehen hat?«
    Abdul sprach mit Hossein auf Arabisch und übersetzte stückchenweise: »Hossein sagt, der alte Mann
    war sehr unglücklich und aufgeregt … Sie haben sich in einem Kloster getroffen, sagt er … Es hatte Ärger mit der Polizei gegeben, und … er musste sofort vom Berg Athos und auch aus Griechenland fliehen.«
    Lucy nickte, überzeugt, daß der Professor versucht hatte, eine Schriftrolle zu stehlen. »Hat Hossein eine Vorstellung, wohin Dr. O’Hanrahan entkommen will?«
    Hossein und Abdul sprachen wieder miteinander, als Lucy hörte, wie die U-Bahn, die nach Süden fuhr, herankam.
    »Hossein sagt, er will sehr, sehr weit weg«, berichtete Abdul. »Der Professor hat gesagt, er werde aber trotzdem eine islamische Bibliothek konsultieren müssen.«
    »Ich verstehe«, sagte Lucy, als der Zug langsam einfuhr. »Wir dachten beide, daß wir wohl in Ägypten landen würden.« Hossein lächelte vertraulich und fügte noch ein Detail hinzu. Abdul übersetzte: »Ja, er hat gesagt, er könne es kaum erwarten, in das Flugzeug zu steigen.« Dann lachte er. Oh, oh, dachte Lucy.
    Sie sah Abdul an, der geduldig ihren Blick erwiderte, perfekt gepflegt und frisiert, und dann Hossein … der ganz bestimmt kein Verwandter von ihm war, wie ihr jetzt klar wurde, und gerade eine Frau auf dem Bahnsteig angaffte.
    »Oh, ich habe vergessen, daß – äh, ich meine, ich glaube, daß ich etwas im Hotel vergessen habe; ich gehe lieber rasch zurück und hole es.«
    »Wir warten gerne auf Sie«, sagte er lächelnd. »Ist es wichtig?«
    Beruhige dich, sagte sie zu sich selbst.
    Der Zug hielt quietschend an, und ein Strom aufdringlich parfümierter oder nach Eau de Cologne riechender Athener Pendler quoll heraus.
    Abdul stellte eifrig ihr Gepäck zusammen mit dem seinen ins Abteil.
    Knallhart höflich, dachte sie, als sie einstieg und die Türen sich hinter ihr

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