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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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wohnen im selben Hotel, nicht wahr? Im Poseidon?«
    »Nein, wirklich? Wie kommt es, daß ich Sie nicht bemerkt habe?«
    »Ich schlafe sehr lange«, gab er lachend zu.
    Dasselbe Hotel, der letzte Abend in der Stadt. Lucy, altes Mädchen, wenn du deine Karten gut aus
    spielst, könnte da vielleicht was laufen. Und sieh mal, wer kam gerade herein: Stavros. Er schien bereit, auf Lucy zuzugehen und mit ihr zu reden, aber als er ihren Begleiter sah, erstarrte er und setzte sich an einen eigenen Tisch.
    »Aber ich habe Ihren Freund gesehen«, sagte der Fremde, der mit dem Rücken zu Stavros saß.
    »Stavros? Er hat uns nur hierhergefahren und den Professor begleitet. Ich kenne ihn eigentlich kaum.« Der Fremde schien das nur halb zu glauben, wurde nach dieser Aussage aber dennoch herzlicher.
    »Wollen Sie etwas trinken?« bot sie an und versuchte damit, Stavros als Gesprächsthema zu begraben.
    »Nein, danke«, erwiderte er.
    Sie hätte gern etwas gehabt, beschloss aber, es zu lassen, wenn er nichts trank. Er bot ihr eine Zigarette an.
    »Danke«, sagte sie, da sie dank O’Hanrahan wieder süchtig war. »Es tut mir leid, es ist ein wenig peinlich, aber ich … ich weiß Ihren Namen noch nicht.«
    Er lachte und schüttelte spöttisch den Kopf über sich selbst. »Wie dumm von mir. Ich heiße Abdul. Abdul el-Hassami.«
    »Lucy Dantan«, erwiderte sie die Vorstellung. »Abdul ist ein seltsamer Name für einen Griechen.« »Entschuldigen Sie, aber ich bin kein Grieche. Ich bin Araber.« »Aber …« »Ich bin aus Syrien.«
    Wie exotisch! Lucy wurde von Minute zu Minute begeisterter. Sie blies eine lange Rauchwolke aus, als würde sie damit den Geschmack von Stavros verbannen. »Aber warum sollten Sie dann … Ich meine, der Berg Athos …«
    »Sie glauben, alle Araber seien Moslems? Zehn Prozent der Syrer sind christlich.«
    »Natürlich, die Kirche von Antiochien! Wie außergewöhnlich. Gehört Ihr Bruder zu den syrischen Mo nophysiten ? In welcher Sprache ist die Liturgie?«
    Er lachte nervös. »Natürlich Aramäisch.« »Mein Gott«, kicherte sie. »Noch nie in meinem Leben habe ich jemanden kennengelernt, der tatsächlich Aramäisch, die Sprache von Jesus, verstehen konnte. Sie müssen ein oder zwei Sätze für mich sprechen … Er stand auf. »Nein, Sie bringen mich in Verlegenheit … Ich spreche es nicht. Ich muss gestehen, daß ich nicht religiös bin wie Hossein, mein Bruder. Sie soll ten ihn fragen. Tatsächlich, ja, es ist halb neun, Zeit für mich, zum Hafen zu gehen, um ihn zu treffen.« »Kann ich mitkommen?« fragte sie, da sie bemerkte, daß Stavros vor Wut kochte. »Ja«, erwiderte er höflich.
    Vielleicht, dachte Lucy, wollte Abdul nicht, daß sie mitkam. Aber es genügte, mit ihm die Bar zu verlassen und Stavros zu ärgern; wenn Abdul und sein Bruder ihr gute Nacht gesagt hatten, konnte sie irgendeine Lüge, was sich alles zwischen ihnen abgespielt habe, für Stavros erfinden. Als die Fähre mit stotterndem Motor in den Hafen einfuhr, blieb Lucy im Hintergrund und überließ die beiden Brüder ihrem Wiedersehen im Licht der Straßenlaternen am Pier. Abdul küsste einen kleineren, dunkleren Mann auf die Wange und begann rasch zu sprechen. Komisch, dachte Lucy, sie sehen überhaupt nicht wie Brüder aus. Nach einer flüchtigen Vorstellung gingen alle drei zurück zum Hotel Poseidon, und die beiden Brüder unterhielten sich offenbar unfroh auf Arabisch . Ohne ein Lachen oder irgendein Scherzwort, stellte Lucy sich vor. Abduls Bruder Hossein trug einen Rucksack und hielt einen Umschlag in der Hand, über den er Abdul etwas zu sagen schien. An der Hotel Rezeption nahm Abdul den Brief. Da beide Brüder nicht Griechisch und Hossein auch nicht Englisch sprach, erklärte Abdul dem Besitzer auf Englisch : »Dieser Umschlag ist für eine Dame in Zimmer 13, bitte.«
    Lucys Puls beschleunigte sich. »Warten Sie. Ich ha be Zimmer 13.« Abdul drehte sich um, sah sie mit seltsamem Blick an und reichte ihr den Brief. Es war ein länglicher weißer Umschlag mit einem Absender in Karyes, der Hauptstadt des Athos, auf der Rückseite. Hossein sagte etwas zu Abdul, und Abdul übersetzte für Lucy.
    »Ein alter Mann hat ihm das gegeben und gesagt, es sei sehr dringend.«
    Lucy setzte sich in einen der hellblauen Vinylsessel aus den fünfziger Jahren in der Hotelhalle. Hossein nahm seinen Schlüssel und ging die Treppe hinauf, während Abdul noch herumtrödelte, um zu sehen, ob Lucy eine schlechte Nachricht erhalten

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