Der dreizehnte Apostel
fällt
jetzt der Name nicht ein …«
»Rabbi Jacob Rosen, glaube ich«, half O’Hanrahan.
»Ah ja. Dieser Rabbi bekam das Dokument durch einen palästinensischen Agenten zu sehen, stellte fest, daß darin auch der jüdische Historiker Josephus vorkommt, und bot eine große Summe dafür. Und natürlich wurden auch Bestechungsgelder gezahlt. 1949 kam das Evangelium in die Hebräische Universität, und dann stürzte Mr. Rosen genau an dem Tag, als das Evangelium gestohlen wurde, eine Treppe hinunter zu Tode.«
O’Hanrahan nippte an seinem Wein. »Und das bringt uns zur Gegenwart, Herr Kellner. Sie wollen mich engagieren, Ihnen zu helfen, diese Schriftrolle in Ihren Besitz zu bekommen?«
»Aber ich denke nur an die Öffentlichkeit. Sehen Sie nur, wie viele Touristen die Qumran-Rollen im Israel-Museum anziehen oder bei der Weltausstellung von 1967 in Montreal angezogen haben. Ich fasse für den Matthias eine ähnlich große Ausstellung in Trier ins Auge. Und wenn das Werk übersetzt ist, werden sicher viele amerikanische Reisegruppen Trier in ihre Rundreisen einbeziehen. Welcher von Ihren Baptisten aus dem Süden würde nicht die Schriften eines richtigen Apostels sehen wollen, die Worte eines Mannes, der Jesus in die Augen gesehen hat? Das älteste christliche Dokument, das existiert! Zweihundert Jahre vor dem Codex Sinaiticus! Gelehrte würden ein Vermögen zahlen, um dieses Schriftstück zu sehen. Ah, denken Sie nur an die Renaissance, die das für Trier bedeuten könnte!«
»Und ich nehme an, Ihre Weinverkaufsziffern würden in die Höhe schnellen, Herr Kellner.«
»In der Tat, aber meine Familie hat sich über den Wein hinaus geschäftlich engagiert, mein Freund: Hotels, Restaurants, Kurbäder. Mir gehört alles außer der Jugendherberge, aber auch daran arbeite ich.« Einen Augenblick lang sah er betrübt aus – wegen dieses Besitzes, der ihm nicht gehörte. »Aber missverstehen Sie mich nicht! Ich möchte, daß Sie dieses Evangelium übersetzen und mir helfen, diese Schriftrolle zu veröffentlichen. Ich kann Ihnen versichern, daß Trier ein wundervoller Ort zum Arbeiten ist – das Essen, der Wein, das Wetter. Dieses Jahr ist der Sommer zwar nicht so schön, es regnet viel, aber besser als Chicago im Winter ist es jedenfalls, nicht wahr? Vielleicht könnten Sie es heute Nachmittag deichseln? Sie gehen zum Versteck der Schriftrolle, schieben sie unter den Jackenärmel, geben sie mir – und ich werde Ihnen dezent eine Summe von …« Er sah gequält drein. »Es ist so vulgär, über Geld zu sprechen, wirklich betrüblich. Eine Million Mark für Ihre Bemühungen, hm?«
»Eine Million«, wiederholte O’Hanrahan.
»Dieser akademische Fund wird Ihnen Ruhm bringen, Herr Professor. Aber denken Sie an Ihre Kolle gen, die früher an den Schriftrollen vom Toten Meer gearbeitet haben. Hat das Unternehmen ihnen viel Geld eingebracht? Und Sie werden mit dieser Schriftrolle ohne mich auch kein großes Vermögen machen. Vielleicht 50.000 Dollar aus dem Verkaufserlös des Buches, höchstens! Aber Sie sind noch ein junger Mann! Nicht einmal siebzig! Wovon werden Sie in den zwanzig Jahren oder so, die Sie noch vor sich haben, sorgenfrei leben können?« Das ist ein Haufen Geld für das tägliche Brot, dachte O’Hanrahan.
(Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, Patrick.)
Kellner erhob sich. »Ich lasse Ihnen eine Kiste von unserem besten Piesporter ins König David schicken«, kündigte er an. »Genießen Sie ihn! Viel mehr davon gibt es dort, wo er angebaut wird. Und ich werde mit Ihnen in Verbindung bleiben. Ich weiß, es ist sehr schwierig für Sie, Ihre Freunde hier anzulügen, diesen Rabbi von der Universität. Aber vielleicht könnten Sie ihm etwas von dem Geld geben. Ich überlasse es Ihnen beiden, das zu arrangieren. Ich für meinen Teil muss jetzt zu den Münzen, die es im Hotel El-Khodz gibt. Ich habe so getan, als wäre ich nicht interessiert, aber jetzt muss ich los und sie kaufen, bevor jemand anders – Mr. Waswasahs Preis war lächerlich niedrig …«
»Vielleicht sind sie nicht echt«, deutete O’Hanrahan taktvoll an. »Ich kenne mich in der Numismatik fast ebenso gut aus wie mit alten Texten, mein Freund.«
Kellner berührte mit dem Zeigefinger seine Zungenspitze. »Sie haben einen gewissen Geschmack. Hahaha, ich habe mit der Zunge an einer probiert, während Sie und der Besitzer sich unterhalten haben, und ich versichere Ihnen, sie sind authentisch! Auf Wiedersehen.« Thomas Matthias Kellner
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