Der dreizehnte Apostel
und gesegnet war, führte der gelehrte Muslim die Besucher in sein Büro. Dr. Mehmets schwarze Haut war aschgrau geworden, sein hageres Gesicht sehr faltig; seine Augen waren gelb verfärbt und schwach. Der Sudanese stützte sich mit großer Würde auf einen Stock, aber er ging sehr langsam.
»Ich habe eine merkwürdige Form des Meroïtischen, die ich Ihnen zeigen wollte«, sagte O’Hanrahan, der neben ihm ging und sich ihm in der Geschwindigkeit anpasste .
»Alle Formen dieser Sprache sind merkwürdig«, seufzte Dr. Mehmet. »In meiner Jugend habe ich mir geschworen, ihre Geheimnisse zu enträtseln, aber das hat Allah nicht zugelassen. Du sollst nicht stolz auf Erden wandeln, steht im Koran geschrieben, nimmer ist es dir gegeben, die Erde zu zerteilen.«
O’Hanrahan lächelte. Aber welcher alte Mann, der sein Leben den heiligen Büchern geweiht hat, würde nicht argwöhnen, daß er eines Tages Gottes Aufmerksamkeit erregt?
»Meroïtisch ist im Augenblick sehr populär, wie?« fragte Dr. Mehmet. Lucy und O’Hanrahan blieben wie vom Donner gerührt stehen. Mit schwacher Stimme fragte O’Hanrahan: »Hat sich noch jemand danach erkundigt, Ibrahim?«
»Ja. Vor zwei Tagen. Ein orthodoxer Mönch wurde vom Nationalmuseum an mich verwiesen. Es ging um ein christliches Evangelium auf meroïtisch. Bestimmt ist es das einzige – was für ein kostbares Dokument! Mein Freund, du solltest auch versuchen, so etwas zu finden!«
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Der Taxifahrer brachte Lucy und O’Hanrahan zurück in ihre Straße. O’Hanrahan hatte Dr. Mehmet ein paar Fotografien des Matthiasevangeliums dagelassen, obwohl er keine Wunder erwartete. Wie hatte nur dieser Halunke Rabbi Rosen es geschafft, das Ding so leicht zu übersetzen? Und wie schaffte es dieser verdammte orthodoxe Mönch, ihnen immer einen Schritt voraus zu sein?
Lucy und der Professor spazierten den Gehsteig entlang auf das Hotel zu. Zerlumpte Kinder spielten auf dem Boulevard mit einem Fußball, der nur noch wenig Luft hatte; ganz Khartum war ihr Fußballfeld. O’Hanrahan sah einen Tabakladen, der ihn anlockte: Ah, kubanische Zigarren! Lucy sehnte sich nach ihrem Hotelzimmer, um sich das Gesicht zu waschen, den Schmutz herunterzuschrubben und sich in Unterwäsche unter den Ventilator zu legen. »Patrick O’Hanrahan?«
Lucy sah auf und erblickte den kleinen, stämmigen, dunklen arabischen Polizisten in der weißen Uniform, der sie im Hilton beobachtet hatte. Hinter ihm an der Hoteltür standen zwei große, gleichgültig dreinschauende Soldaten, Maschinenpistolen an den Gürteln. »Kann ich Ihnen helfen?« fragte O’Hanrahan, dessen Miene sich verfinsterte bei der Aussicht auf erneute Querelen mit den Behörden.
»Kommen Sie mit mir ins Hotel«, sagte der Beamte in schönem Englisch mit afrikanischem Rhythmus, das in Khartum fast jeder gebildete Sudanese sprach, ein Relikt aus den Zeiten des Kolonialismus. »Ich bin Major Mohammed Ali Nessim von der Inneren Sicherheit.« In der Hotelhalle warfen der Besitzer und seine Frau O’Hanrahan einen besorgten Blick zu. »Es tut uns leid, Mr. O’Hanrahan«, sagte der Besitzer, »aber es gibt Probleme mit Ihrer Kreditkarte.« Das Spiel ist aus, dachte Lucy.
»Unsinn«, bluffte O’Hanrahan und verbreitete sich umständlich darüber, daß seine MasterCard überall akzeptiert worden sei. »Entschuldigen Sie, Sir«, widersprach der Beamte, »aber leider ist es nicht so. Ich war im Hilton und habe gesehen, daß Ihre Karte dort nicht angenommen worden ist.«
Lucy versuchte, zu Hilfe zu eilen: »Nun, das macht nichts. Ich habe ja meine Kreditkarte, Sir, liebster Vater«, wandte sie sich an O’Hanrahan, um echt zu wirken. Sie fischte in ihrer Handtasche und gab dem Besitzer die MasterCard ihrer Schwester. »Es tut mir leid, Sir, Sie müssen mit mir kommen.«
»Aber wenn die Karte meiner Tochter in Ordnung ist, und das ist der Fall, wo soll dann das Problem sein, Sir? Nur ein kleiner Fehler, nichts weiter …«
Der Mann war unerbittlich und brachte immer neue Gründe vor. O’Hanrahans Mut sank, als ihm klar wurde, daß diese belanglose Sache nur der Vorwand für eine Verhaftung war – der Beamte konnte seinen Vorgesetzten begeistert einen Verbrecher aus dem Westen melden, und natürlich würde es Bestechungsgelder für alle geben. Zweifellos hatten sie ihn seit dieser Narretei im Hilton überwacht, die einzigen Amerikaner, die in diesem Sommer in der Stadt waren. Nach Ansicht der Sudanesen musste er in Geld schwimmen, und sie
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