Der dreizehnte Apostel
verfluchte innerlich die Dummheit der sudanesischen Regierung.
»Ich werde mich persönlich darum kümmern, Patrick«, fuhr Colonel Westin fort, »daß Sie morgen Vormittag den Flug nach Äthiopien erreichen. Wir schicken Ihnen und Miss Dantan morgen um sechs Uhr früh ein Auto, so daß Sie auf jeden Fall rechtzeitig am Flughafen ankommen werden. Aber Sie müssen noch einen kleinen Clinch mit der Bürokratie durchfechten, den wir Ihnen nicht ersparen konnten. Diese Ausreisevisa brauchen einen Stempel vom Verkehrsministerium. Dabei kann Ihnen nicht einmal die US-Regierung helfen.«
Das Verkehrsministerium sei bis sechs Uhr nachmittags geöffnet, erklärte Colonel Westin; der Professor und Miss Dantan sollten sich also besser sofort auf den Weg machen. Der Colonel verabschiedete sich mit einem amüsierten Lachen: »Man bietet Ihnen
also einen richtigen Harem, wie? Sie alter Schwerenöter!«
(Eine passende Bezeichnung, würden Wir sagen.)
Ein Wagen der Botschaft setzte O’Hanrahan auf dem El-Qasr-Boulevard ganz in der Nähe seines Hotels ab. Während er an diesem Nachmittag an den Händlern und den auf der Straße spielenden Kindern vorbei entlangspazierte, spürte er tiefes Mitleid für diese Menschen in ihrem verwüsteten Land. Was für gutmütige Menschen. Und was für eine bescheuerte Regierung. Das Pro-Kopf-Einkommen betrug 325 Dollar im Jahr. Die UNO hatte den Sudan als Fünft weltland eingestuft. Ein Land, das nicht fähig war, sich selbst zu ernähren. Im verwüsteten Süden des Landes kam ein Arzt auf 90.000 Menschen. Millionen waren bei der Hungersnot von 1985 gestorben, und es wurde prognostiziert, von der nächsten würden 27 Millionen betroffen sein. In der Zwischenzeit verschuldete sich der Sudan mit 10 Milliarden Dollar für Waffenkäufe, bestimmt für den seit 21 Jahren wütenden Bürgerkrieg gegen die Christen und die sudanesischen Stammesvölker, die miterleben mussten , wie ihr Land fanatisch islamisch, militaristisch und unvorstellbar korrupt geworden war. Es passte , daß die-se Regierung bei dem bevorstehenden großen Knall Saddam Hussein unterstützen wollte – Saddam Hussein, der alle Anstrengungen unternahm, um sich selbst von der Landkarte ausradieren zu lassen. Ah, hier neben dem Hotel war der Tabakladen, dessen Auslage O’Hanrahan bereits bewundert hatte.
Er betrat eine aromatisch riechende Welt voller Tabak für Pfeifen und Wasserpfeifen, und tatsächlich gab es hier auch das Beste: kubanische Zigarren …
»Sie wünschen, Sir?« fragte der Ladenbesitzer. Ein ausländischer Weißer war selten genug, um die gesamte Familie anzulocken, die sich nun hinter einem Perlenvorhang herumdrückte, um diese Transaktion zu beobachten.
O’Hanrahan hielt sich eine Dom Perignon unter die Nase und schnupperte – oh, welch kostbarer Duft! Der Tabakhändler, der um diese Jahreszeit wenig Kunden hatte, konnte sich und seine Gier kaum im Zaum halten, als er sich vorstellte, diese teure Ware loszuwerden. O’Hanrahan, gewieft im Spiel zwischen Interesse und Desinteresse, wie es beim orientalischen Feilschen üblich ist, spähte durch das Fenster hinaus auf die Straße. Und dort erblickte er Clem Underwood. »Entschuldigung!« rief er und hastete zur Tür.
Underwood, eine kleine Sporttasche in der Hand, stand lässig auf dem Gehsteig – er sah O’Hanrahan nicht – und blickte suchend nach links und rechts, um einem Taxi zu winken. O’Hanrahan stürzte sich auf ihn, genau in dem Moment, als Underwood sich umdrehte und brabbelte: »Oh, hallo Mr. O’Hanrahan …«
O’Hanrahan wollte ihm die Sporttasche aus der Hand reißen.
»Nein!« Underwood klammerte sich an die Tasche und wurde in gewisser Weise an ihr im Kreis herumgezerrt – er sah fast aus wie ein Hund, der im Kreis um sein Herrchen herumsaust, das einen Stock festhielt, den der Hund nicht loslassen will.
»Was haben Sie da drin, Mr. Underwood?« keuchte O’Hanrahan, der rot im Gesicht wurde.
»Nur ein paar Sachen …«
O’Hanrahan schüttelte Underwood ab und marschierte zur Belustigung der Passanten in eine schmale Gasse, die zwischen dem Tabakhändler und einem verlassenen Reisebüro lag.
»Keine Zigarre, nein?« rief der Tabakhändler, der aus seinem Laden gelaufen war, niedergeschlagen.
Underwood gab angesichts von O’Hanrahans Körperfülle klein bei und stand bedrückt da, während O’Hanrahan seine Sporttasche öffnete. Darin lag, wie der Professor erleichtert feststellte, sein Köder, die Abenteuer des heiligen Andreas
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