Der dreizehnte Apostel
sogar ein bisschen an eine seiner Freundinnen …« Er wischte sich die Stirn ab und fragte sich, ob er den Verstand verloren habe. Er sagte Dinge über seinen Sohn, die nicht realer waren als ein Spruch im Werbefernsehen … Aber bei diesem Thema war er unerfahren. Für die Bekannten, die um Beatrice trauerten, hatte er ein festes Schema vorbereitet gehabt: Was für eine gute Ehefrau sie gewesen sei, wie sehr er sie vermisse, was für eine großartige Frau, und das hatte alle zufriedengestellt. Aber wenn es um Rudolph ging, fuchtelte er wild in der Luft herum, hier hatte er keinen fertigen Text, den er der Welt vorbeten konnte, die ihn nicht in Ruhe lassen wollte. Aber hast du mich gehört, Rudy? Na, hast du deinen Vater gehört? Okay, ich habe mir ein paar Freiheiten herausgenommen, aber ich habe mich zu dir bekannt, nicht wahr? Und doch … und doch habe ich das Gefühl, als hätte man etwas aus mir herausgerissen und statt dessen eine tiefe Leere zurückgelassen.
(Die Wahrheit wird dich befreien, Patrick.)
An dem baufälligen Behelfsflugplatz reihten sich Lucy und O’Hanrahan in der Reihe der anderen schläfrigen Passagiere ein, zumeist Araber und ein paar äthiopische Flüchtlinge. Sie wurden zu einem Schalter geführt, hinter dem niemand saß, dann zu einem anderen Schalter, hinter dem eine Frau erklärte, sie habe mit nichts etwas zu tun. Dann standen sie draußen im kühlen, morgendlichen Schatten der Flugzeughalle, um auf die Verwaltungsbeamten zu warten.
»Vielleicht«, schlug O’Hanrahan vor, dem jede Fahrt über Land lieber gewesen wäre, »könnten wir nach Kassala fahren und das Rote Kreuz dazu bringen, uns mit einem Jeep nach Addis zu fahren …« Er verstummte, als er das sowjetische Propellerflugzeug, eine Maschine aus den fünfziger Jahren, über das Rollfeld zum Abfertigungsgebäude holpern sah. Aus einem der Propeller kam schwarzer Rauch, ohne daß irgendjemand der Zuständigen auf dem Feld das beunruhigend gefunden hätte. Religiöse Zeichen, verblasste heilige Koransätze in verschlungenen arabischen Buchstaben, die sich in geometrische Formen zwängten, schmückten die Außenwände des Flugzeugs.
»Insha’allah Airways.« O’Hanrahan flüsterte fast. »Wenn Gott es will.« An einem kleinen Klapptisch, dessen eine Seite bedenklich nach unten sackte, saßen ein dicker sudanesischer Offizier und eine Art Beamter in einer schmutzigen galabiyya, die Pässe, Papiere und Tickets überprüften und mit jedem in Streit gerieten, der an den Tisch geführt wurde. Ein zahnloser Mann wetterte heftig gegen die Behördenvertreter und bespuckte sie mit seiner feuchten Aussprache, so daß sie zusammenzuckten, seinen Pass stempelten und ihn weiterwinkten – aber erst, nachdem sie sein Messer verlangt hatten. Der Mann griff in seinen Stiefel, zog einen erschreckend langen Dolch hervor und legte ihn auf den Tisch. Pistolen, Messer, Säbel, Stilette – nacheinander legten die Passagiere ihre Waffen ab, und der Offizier warf alles in einen schäbigen Koffer, aus dem die Waffen nach der Landung wieder verteilt werden würden. Lucy schluckte mühsam. »Zumindest gibt es eine Art Sicherheitsüberwa chung .«
O’Hanrahan war wie vor den Kopf gestoßen.
Dann hörte man ein dumpf-schmatzendes Geräusch – plop. Zwei Männer tauchten hinter dem Flugzeug auf und schrien einander an, während ein dritter in Uniform herbeieilte … Mein Gott, dachte O’Hanrahan, dieser abgerissene Kerl in den Khakiho sen der einen und der blauen Jacke einer anderen Uniform ist der Pilot! Der Pilot befahl den beiden Männern, in die Garage zu kommen, und bald wurde klar, daß ein Flugzeugreifen einen Platten hatte. Ein gleichmäßiges Zischen untermalte die Worte der Arbeiter, während der Reifen langsam weiter Luft verlor und das Flugzeug sich nach einer Seite senkte.
»Ganz bestimmt«, stotterte Lucy, die nun selbst eine Heidenangst hatte, »müssen sie bei der sudanesischen Air Force gewesen sein, um fliegen zu dürfen. Ich meine, man kann doch nicht einfach ohne Qualifikation Pilot sein, oder?«
O’Hanrahan lachte finster. »Sie wollen mich mit der sudanesischen Air Force beruhigen? Da fühle ich mich aber gleich verdammt viel besser.«
Schließlich fand sich O’Hanrahan vor dem Klapptisch und dem Offizier mit seinem buschigen Schnurrbart. Der Mann sah aus wie Saddam Hussein, nur die Hautfarbe war dunkler. Gelangweilt prüfte er ihre Pässe und legte sie beiseite. »Sie fliegen nach Gondar?« fragte er auf Arabisch
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