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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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hoffnungslos, und versuchten, mit ihrer no ch übrigen Energie einen Ausrei sestempel zu bekommen oder irgendeine Erlaubnis, einen Straferlass, eine Ausnahmeregelung … Es konnten Wochen vergehen, bis diese Wünsche – wenn überhaupt jemals – erfüllt wurden.
    Lucy beobachtete einen Mann, der offensichtlich im letzten Stadium der Erniedrigung am Hosenbein eines Soldaten zog und weinte, um irgendeinen albernen Stempel auf einem zerknüllten Schriftstück bettelte, das er schwenkte, als wäre es die weiße Flagge eines Besiegten. Der Araber schüttelte den Lästigen von seinem Bein und ging weiter, ohne ihn zu beach-ten. Keine Frischluft, kein funktionierendes Licht, nur schwach drang das Tageslicht in das Gebäude – scharfer blauer Tabakrauch hing dick in der Luft.
    »Wir werden hier nie herauskommen«, stöhnte Lucy, nachdem sie fünfundvierzig Minuten ungeduldig gewartet hatten. »Es ist vollkommen sinnlos. Das ist die Hölle.«
    Jedesmal wenn eine bestimmte verschleierte Frau vorbeikam, sprang O’Hanrahan zusammen mit zwanzig anderen auf und rief ihr etwas zu, so wie die Händler in der Chicagoer Weizenbörse, jegliche Würde wurde geopfert, um ein wenig Aufmerksamkeit zu erregen. Die eiskalte Bürokratin suchte sich irgend jemanden aus und versprach ihm oder ihr, daß es nur noch einen Moment, nur noch fünf Minuten dauern werde.
    Dann war Gebetszeit.
    Der azaan rief gellend über die Lautsprecheranlage. Jeder Wartende breitete eine Strohmatte aus, und die nächsten fünfundvierzig Minuten waren dem Nach mittagsgebet gewidmet. O’Hanrahan bemerkte, daß viele der schwarzen Sudanesen nicht beteten, wahrscheinlich waren sie keine Moslems und mussten daher auch so unmenschlich lange warten, tagelang, wochenlang. Oder vielleicht waren sie einfach jeder Hoffnung beraubt, hier im Schoß der afrikanischen Bürokratie, die jenseits von Allahs Reichweite war.
    »Jetzt? Bitte! Laosah mahtee!« rief O’Hanrahan der wichtigen Frau zu, als sie nach der Gebetszeit wieder auftauchte. »Wir müssen morgen nach Äthiopien!«
    Die Frau nahm die beiden Pässe und verschwand.
    Für Touristen gab es am Eingang eine lächerlich schlecht ausgestattete Touristeninformationsstelle. Lucy ließ O’Hanrahan allein und ging nach unten, las eine nicht mehr aktuelle Broschüre und fragte dann spontan nach dem nächsten Telefon. Gleich über der Straße, sagte man ihr, im Hotel Marriott.
    Lucy sehnte sich danach zu hören, was der Rabbi ihnen raten würde, und gab fast ihr restliches sudanesisches Geld aus, um sich mit der Hebräischen Universität verbinden zu lassen.
    Ein rauhes Flüstern antwortete: »Lucy, sind Sie das?«
    »Rabbi Hersch?«
    Schweigen.
    »Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte Lucy.
    »Ja, um auf Ihre Frage zu antworten: Nichts ist in Ordnung. Ich traue dem Telefon in meinem Büro nicht mehr, deswegen habe ich meine Anrufe ins Büro eines Kollegen legen lassen, wo ich jetzt bin. Man
    hat wieder in meinem Büro eingebrochen, das Schließfach in meinem Schreibtisch aufgebrochen …«
    Lucys Herz klopfte schneller. »Wer war das?«
    »Ich weiß es nicht, aber es müssen Leute mit sehr guten Beziehungen sein.
    Die Hebräische Universität gleicht einer Festung gegen den Terrorismus und die Intifada – man kann nicht einfach hereinspazieren und in ein Büro einbrechen oder einen Safe aufbrechen, es sei denn …«
    » Irgendjemand in der Universität?«
    »Gott selbst«, erwog der Rabbi mit frustriertem Unterton in der Stimme. Lucy lieferte ihren eigenen, wenig erfreulichen Bericht ab. O’Hanrahan war verhaftet worden, die Botschaft hatte ihn aus seinen Schwierigkeiten herausgeholt; Mr. Underwood hatte mit vorgehaltener Waffe ihre Schriftrolle gestohlen, aber die falsche; der fanatische Frater war zwei Tage vor ihnen in Khartum aufgetaucht. »Er ist uns jetzt anscheinend zwei Tage voraus«, seufzte Lucy.
    Rabbi Hersch holte tief Luft. »Was hat dieser Mönch von seiner Suche? Er hat die Schriftrolle nicht.«
    »Noch nicht. Ich muss schnell reden. Wir fliegen morgen nach Addis Abeba und von dort aus nach Jerusalem, nehme ich an.«
    »Das würde ich nicht tun. Treffen wir uns lieber in Chicago oder New York – ich habe Freunde dort.«
    Aber Lucy wollte nun wirklich nicht nach Hause. Rabbi Hersch vermasselte ihr die Operation »Heimliches Baby im Heiligen Land« … »Ich kann es nicht glauben, daß Paddy O’Hanrahan in ein Flugzeug steigt«, sagte der Rabbi leise. »Nachdem Rudolph bei dem Absturz am O’Hare-Flughafen

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