Der dreizehnte Apostel
und minoischen Darstellungen von Schlangenpriesterinnen andererseits ist nicht groß.
36 Der teilweise zoroastrisch inspirierte Mithras-Kult (schon im 6. Jahrhundert v. Chr. nachzuweisen) konkurrierte mit dem Christentum, das daher Kompromisse mit ihm machte. Mithras, Sohn einer himmlischen Jungfrau, war ein Sonnengott, geboren am 25. Dezember. Bei der Feier seiner Geburt sangen die Gläubigen: »Die Jungfrau hat geboren! Das Licht wächst!« Vermaseran, Mithra the Secret God, London 1963, zitiert ein Gebet Mithras, das offenbar zu einer mithraischen Eucharistiefeier in Beziehung stand: »Wer nicht wird essen meinen Leib und trinken mein Blut …. wird nicht erlöst werden.« Mithras vollbrachte Wunder und Heilungen, und seine Verehrer befleißigten sich der Keuschheit und der Nächstenliebe und glaubten an ein jenseitiges Leben. In einer Katakombe unter S. Clemente, einer der frühesten christlichen Basiliken in Rom, gibt es einen mithraischen Altar, was darauf schließen lässt , daß es eine mithraische Spielart des Christentums gab.
Die christliche Aneignung des Mithraismus zu rechtfertigen ist der Kirche nie überzeugend gelungen. So erklärte Tertullian, Mithras und Attis seien vor Christus erschienen als Abgesandte Satans, der mittels solch teuflischer Imitationen des kommenden Erlösers die Menschen von diesem abzulenken versucht habe.
37 Wie derjenige des Mithras beeinflusste und be einträchtigte auch der Kult des Attis die frühe Kirche. Attis, Sohn der Großen Mutter, wurde geboren von Nana, einer Jungfrau. Attis entmannte sich unter einer Fichte und verblutete in der Blüte seiner Jahre. Drei Tage später ersta nd der Gottessohn von den Toten – am 24. März, dem Tag, an dem ein großer Teil der frühen Kirche jahrhundertelang das Osterfest feierte, wie denn überhaupt die Frühjahrs-Tagundnachtgleiche, der Frühlingsanfang, zur Verehrung der verschiedensten Fruchtbarkeitsgottheiten rief.
38 Überlebsel, »survival«. Im Original s..ßa.ße. Terminus technicus für Reste alten Brauchtums. Zu der von dem Evangelisten aufgeworfenen Frage (wie auch zu der Rolle, di e solche Überlebsel im Kulturbe trieb spielen) siehe: Edward Burnett Tylor, Primitive Culture, London 1871 und öfter; Deutsch , Leipzig 1873.
39 Zu einer Zeit, da sich um die dereinstige Bevölkerungsexplosion noch niemand Sorgen machte, im Gegenteil – es war ja immer zu befürchten, daß der nächste Krieg, die nächste Seuche, das nächste Erdbeben das ganze Dorf, den ganzen Stamm, die ganze Menschheit ausrotten könnte –, war die Selbstkastra tion auf den ersten Blick nur als höchst perverse, radikal lebensverneinende Maßnahme zu verstehen. Dennoch, und obwohl die Patriarchen ihre Autorität dagegen geltend machten, wurde während des 1. Jahrhunderts der christlichen Ära die Selbstkastration fast in der ganzen Alten Welt Mode wie auch die Selbstgeißelung und andere Bußübungen, die wir uns nur als masochistische Selbstbefriedigung plausibel machen können. Jesu Worte »Und sind etliche verschnitten, die sich selbst verschnitten haben, um des Himmelreichs willen« (Matthäus 19,12) wurden von vielen zur Askese neigenden jungen Männern als Anregung aufgefasst , dem Beispiel dieser etlichen zu folgen. Origenes soll sich selbst kastriert haben, um rein zu bleiben, Justinus Martyr berichtet von vielen, die sich selbst kastrierten, damit ihnen nicht gehässig von Feinden sexuelles Fehlverhalten unterstellt werden könnte. Siehe dazu H. Chadwick, The Sentences of Sex tus , oder R. Koenig, Female Eunuchs and Castration, New York 1989, wo es heißt, daß diese Art der Selbstheiligung nach einem letzten Ausbruch der Begeisterung dafür im 4. Jahrhundert n. Chr. aus der Mode kam.
40 Man vergleiche die Riten des Attis in Rom: In einer Raserei von Selbstgeißelung und Selbstverstümmelung schnitten sich die Feiernden schließlich die Genitalien ab (oft den Penis mit den Hoden) und schleuderten sie auf die geheiligte Fichte oder das Bild der grausamen G öttin. In Syrien pflegten dieje nigen, die sich nach dem Muster des Attis der Kybele zu Ehren entmannten, bei einem Lauf durch die Stadt ihre abgeschnittenen Geschlechtsorgane durch irgendeine Haustür zu werfen und damit die Hausbewohner aufzufordern, den Novizen mit neuen Gewändern für das Priesteramt zu versehen, für welches er sich durch die Operation qualifiziert hatte.
41 Sporus ließ sich Nero zuliebe kastrieren und von diesem, der seine zweite
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