Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dritte Berg

Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.F. Dam
Vom Netzwerk:
angepasst. Also die Art, wie man Pflanzen beschreibt und in Kategorien ordnet, damit sie auch wiedererkannt werden können. Und daher wird man möglicherweise einmal nicht mehr vom Linnéschen System der Pflanzenkategorisierung sprechen, sondern vom Schmithausen-Linnéschen System.« Er macht eine Pause; er ist jetzt feierlich geworden und betont jedes Wort. »Schmithausen ist ein Mann, dessen Namen du einmal in den Lehrbüchern deiner Kinder lesen wirst – na ja, falls …«
    Diesen letzten großen Hieb stecke ich einfach weg. Er lehnt sich zufrieden zurück. Und ich weiß, was er jetzt gleich denken wird.
    »Dein Freund muss etwas entdeckt haben«, sagt er. »Und deshalb ist dieser Maettgen auf ihn aufmerksam geworden. Christian Fust ist ja mit Sicherheit kein Unbekannter auf seinem Gebiet.«
    Das weiß er ganz genau, doch sagt er es, um Schlag Nummer zwei anzubringen. Denn der eigene Sohn, ja, man stelle sich das tausendmal vor, er hat keine solche Laufbahn im Sinn, er engagiert sich mit GeoWatch zwar irgendwie gegen irgendetwas , hat aber weder einen Wetterdienst gegründet, der ein Schweinegeld abwirft, noch managt er die eine oder andere erfolgreiche NGO .
    Wie immer sitze ich das aus und warte, bis mein Vater diesen Gedanken wegscheucht. Das dauert. Es ist ein alter, zäher Gedanke. Er wendet seinen Blick schließlich einem Bild meiner Mutter zu, das neben dem Fernsehgerät steht. Über der Fotografie hängt eine Kette aus Holzkugeln, die er einmal auf Reisen in Indien gekauft hat.
    »Kennst du das letzte Ding?«, fragt er.
    »Wie bitte?«
    »Das letzte Ding und den letzten Ort. Nach einer interessanten Theorie sind die beiden das Ziel unserer Kultur. Und warum sollte das letzte Ding keine ganz besondere, den alten Indern bekannte Heilpflanze sein und der letzte Ort sich nicht in Indien befinden?«
    »Unsinn.« Ich begreife nicht, was er sagen will, und noch weniger, wie er mit einer solch abenteuerlichen Sache daherkommen kann.
    »Edgar Whiningham hat diese, nennen wir sie, These vor zwanzig Jahren formuliert. Er mutmaßt, dass ganze Bündnisse von Intellektuellen und Wissenschaftlern existieren, oder von Leuten mit Geld und Einfluss, die an der Erfüllung dieser Mission arbeiten. Wie immer sie ihre Arbeit auch nennen mögen, und ob sie Whininghams These kennen oder nicht. Für Whiningham ist unsere Kultur, und mit ihr der Kapitalismus selber, strukturell teleologisch. Würde sie also nicht auf ein letztes Ziel, ein telos , hinstreben, würde sie ein tragendes Grundprinzip ihrer selbst verletzten. Deshalb sind der letzte Ort und das letzte Ding die strikt logische, letzte Konsequenz aus westlicher Kultur und Zivilisation. Es ist nach Whiningham damit die letzte Konsequenz des Kapitals! Und was dieses letzte Ding sein soll, weiß keiner. Oder der letzte Ort. Ich nehme nicht an, es ist ein dummer Spaziergang auf dem Mars, auch keine neue Energiequelle. Das wäre doch lächerlich.«
    »Und woran denkst du ?«
    »Das Ende aller Physik in einer vereinigten Feldtheorie, die Zauberdinge möglich macht. Oder der Schlüssel zum ewigen Leben. Beispielsweise .«
    »Pah«, mache ich.
    »Es ist mein voller Ernst. Und dein Freund Christian muss da auf etwas außerordentlich Wichtiges gestoßen sein. Vertrau mir, ich rieche das.«
    Es ist die Aufgabe von Vätern, Überzeugung auszustrahlen, das hier geht mir aber zu weit. Und er begründet es mit seiner guten Nase.
    »Ich will zu Schmithausen«, sage ich schnell. Ich beachte Regel Nummer eins: Vermeide jede Diskussion mit deinem Vater.
    »Dann am besten morgen früh«, sagt er. »Bevor er zur Universität geht.«
    Mein Vater steht auf und holt sein Telefon. Während er mit Xaver Schmithausen spricht, habe ich eine Idee. Sie hat mit einem Haus, einem Schreibtisch, einer defekten Tür und einer kleinen Kletterei zu tun.
    »Morgen Vormittag, gegen elf Uhr«, sagt mein Vater. »Der übereifrige Kerl scheint vorher tatsächlich auf der Universität zu sein.«
    Da er schon steht, macht er sich auf den Weg in die Küche. Er ist auf den Gedanken gekommen, ich könne durstig sein. Ohne mich gefragt zu haben, kommt er mit Pfirsichsaft und Tonic zurück. Mein Vater bewahrt solche Getränke für Gäste auf und serviert sie dann nicht. Er macht ein zufriedenes Gesicht. Er hat ein Problem einer Lösung näher geführt und begonnen, alles in die richtigen Bahnen zu leiten. Unentbehrlich wie er ist und bis zu seinem Tod bleiben wird. Und vielleicht darüber hinaus.
    »Warum schlägst du

Weitere Kostenlose Bücher