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Der dritte Berg

Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.F. Dam
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Nachmittagsstau. Die Brände. Der Himmel über der Küste ist dunkelgrau. Meine Aufregung hat sich gelegt. Da ist jetzt bloß noch Ekel in mir. Da sind, dort drüben, irgendwo am Rand der Stadt, die Schuhe eines Mannes gewesen, den ich einmal in mich aufgenommen hatte. Man weiß um die Kraft der Freundschaft erst, wenn sie droht, vorüber zu sein. Ohne dass man es merkte, haben sich die Seelen gemischt und man ist ein anderer geworden. Und wenn sie sich wieder trennen, wird Fleisch herausgerissen. Ich verliere gerade, in diesen Augenblicken, einen Teil der Welt, die ich einmal war.
    Als mein Taxi endlich wieder vorankommt, wird mir endgültig schlecht. Ich gebe dem Fahrer ein rasches Zeichen anzuhalten. Neben einem Straßenrestaurant springe ich aus dem Wagen und verschmutze den Bürgersteig unter einem Bananenstrauch. Es ist bloß eine Menge Flüssigkeit, ich habe auf der Polizeistation nur wenig zu mir nehmen können. Ich wische mir den Mund notdürftig mit einem Stück Bananenblatt ab und taumle in das staubige Restaurant, um den Säuregeschmack loszuwerden. Ich setze mich an einem einsamen Tisch auf einen der Plastikstühle, zwei Servietten leisten mir Dienste, und bestelle bei einem dürren Kellner Tee und vier Shingaras. Die öligen Inhalte der Shingara-Teigtaschen schlinge ich dann gierig hinunter in der Hoffnung, sie besäßen genügend gravitationale Macht, um mich wieder in der realen Welt zu verankern.
    Als ich zurück ins Taxi krieche, sagt der Fahrer bloß: »Sir, bad food at Mukherjee’s?«

DER INDISCHE OZEAN kommt nicht mehr zur Ruhe. Die Stadt ist mit Ruß bedeckt, die Ratten pfeifen (ein silbriger Ton schlängelt sich durch die Straßen) und im Golf von Bengalen graben sich Windböen in den Ozean hinein. Sie schichten die Wasser aufeinander und treiben das große Meer langsam an die Küste heran.
    Der Schatten der Fächerpalme über uns macht die Nachmittagsstunde an der Meerespromenade erträglich. In diesem Teil der Stadt ist der Brandgeruch verschwunden. Der stärker werdende Wind hat auf Westsüdwest gedreht und die Luft riecht jetzt nach Meer, nach Müll, und von irgendwoher nach Hühnercurry.
    »Die Brände haben sich ausgeweitet«, sagt Sophia. »Die fressen sich seit Tagen in das Industriegebiet im Norden.«
    Befindet sich dort, denke ich, nicht das geografische Forschungszentrum von diesem Dasgupta?
    »Ich wette, der Spuk ist bald von ganz allein vorüber«, sage ich und lasse, es ist als Erklärung gedacht, meinen Blick draußen auf dem Meer herumstreifen.
    Denn vor uns – noch immer weit im Süden – steht eine dunkle, unten ausgeflockte Wolkenwalze.
    In den letzten Wochen hat sich die tibetische Hochebene stärker erwärmt als in anderen Jahren. In Lhasa herrschen schon im April Temperaturen von über zwanzig Grad. Die innertropischen Konvergenzzonen am Äquator verlagern sich zu früh und lassen ihre Passatwinde schon jetzt los, Passatwinde, die von den vorzeitig aufsteigenden Luftozeanen über Tibet und Nordindien angesogen werden, als seien sie in einem sonnendurchfluteten Salon herumschwirrende Staubpartikel und nicht mehrere Prozent der gesamten irdischen Troposphäre. Diese Luftmeere bepacken sich über dem Indischen Ozean nun schon in solchem Ausmaß mit Wasser, dass bald nur noch die kilometerbreiten Flüsse Nordindiens sie in annähernd geordnete Bahnen lenken können. Nicht weit von Kalonagar, oben in den Bergen, befinden sich die regenreichsten Regionen der Erde, monatelang ist dort der Himmel schwarzgrau und tödlich, an den Küsten brüllen Zyklone, und die Fluten steigen. Tausende von Menschen ertrinken jedes Jahr in Bangladesh, in Assam und Bengalen, während der Nordostmonsun gleichzeitig die lange ausgedörrten Felder von Bihar, Chhattisgarh, Jharkhand und Orissa wieder mit Leben füllt.
    »Sicher hat Christian jetzt Feuer unterm Arsch«, sagt Sophia und wirft mir bei der Erwähnung von Christians Namen einen unsicheren Blick zu. »Während des Monsuns kann man nicht einfach so hoch in den Himalaya.«
    Ja, wir glauben, Christian will hinauf in die Berge. Ich habe Sophia von meiner nächtlichen Beobachtung an der Promenade berichtet (durch Vertraulichkeiten versuche ich ihr Vertrauen zu binden). Sikkim , sagte Maettgen zu Schmithausen auf der Promenade. Und Sikkim ist einer von drei indischen Bundesstaaten, die direkt im Himalaya-Gebirge liegen.
    Die Sonne steht uns schon im Rücken; in zwei Stunden wird sie sich in Chhattisgarh und Jharkhand, Landesteilen, die ich

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