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Der dritte Berg

Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.F. Dam
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nicht kenne, und wo es noch viel, viel heißer ist, abrupt vom Tagwerk zurückziehen.
    »Verzeih mir«, sage ich, als Sophia aufstehen will.
    »So, und was?« Sie lehnt sich wieder in die Bank und hebt ihren Kopf; ihr Kinn schiebt sich trotzig nach vorne.
    »Dachte, du hättest geredet.«
    Sophia zieht ihre Stirn in Falten und sieht mich aus zusammengekniffenen Augen an.
    »Dachte«, sage ich kleinlaut, »du hättest mich bei Christian verraten. Dass ich in der Stadt bin, und im Oberoi.«
    »Scheiße«, sagt Sophia.
    Sie nimmt ihre Kamera, steht auf und geht über die Promenade zur Kaimauer. Ich beobachte sie dabei, ihren storchenhaften, schönen Gang, und ich sehe die Intelligenz in ihren Augen, als sie – jetzt lächelnd – zu mir nach hinten blickt. Ich folge ihr.
    An der Kaimauer angelangt, knickt Sophia in der Hüfte ab, dann kniet sie sich fotografierend hin. Fotografin hätte zu ihr gepasst. Schätzender Blick, Kameratasche, Kinderköpfe tätschelnd in einem tibetischen Dorf. Sie schießt ein erstes Bild von mir. Dann noch eines.
    »Gib her«, sage ich und nehme ihr die Kamera aus der Hand.
    Sophia trägt Jeans-Shorts, ein dunkelgrün gemustertes, gut geschnittenes Top und ihre flachen Sandalen. Dazu ein kleines, schwarzes Halsband. Ich fotografiere Sophia an der Kaimauer, Sophia über dem Ozean schwebend; Sophia unten auf den Steinen der Wehr.
    Die Wellen springen an der Kaimauer immer höher empor. Teile der Gischt landen auf der Mauerkrone, wo diese zerrinnt wie Schnee, bloß schneller. Bevor wir völlig durchnässt sind, gehen wir nach hinten zur Straße. Am Bay-of-Bengal-Drive nehmen wir ein Taxi in die Independence Road. Die Zahl auf der Karte von diesem italienischen Restaurant, die ich in Christians Zimmer fand, kann eine Zeitangabe sein: 17:30 Uhr.

    Im Taxi sage ich Sophia, dass ich sie mag. Es ist nichts als die Wahrheit. Ich fühle mich seit Stunden sehr zu Sophia hingezogen, gebe mir aber Mühe, ihr das nur in Maßen zu zeigen. Eine kühle Überlegung in mir weist mich zudem darauf hin, dass es wohl einfach zwei Wochen her ist, dass ich mit einer Frau geschlafen habe. Sophia erwidert kein Wort, stattdessen küsst sie mich und starrt dann stumm aus dem Fenster.
    »Du bist schön«, sage ich.
    »Und Gabriela, Minnie«, sagt sie tonlos.
    Offenbar habe ich diese beiden einmal erwähnt. Oder sie weiß es von Christian.
    »Wer?«, sage ich.
    Unweit des La-Caverna -Restaurants steigen wir aus dem Wagen. Es ist kurz vor sechs Uhr. Die Bürgersteige sind voll wie ein Fußballstadion am Samstagabend, und die vierspurige Fahrbahn wie der Parkplatz davor. Für die Mitte der Fahrbahnen hat man sich einen Grünstreifen mit Gras und Palmen ausgedacht. Überall Leuchtreklame in der beginnenden Dämmerung. Ich fische eine Münze aus meiner Hosentasche; wir knobeln, wer in das Restaurant gehen muss. Wir wollen beide Christian nicht an einem solchen Ort gegenübertreten.
    »Zahl«, sagt Sophia. »Mist.«
    Sie drückt sich schnell an mich, dann verschwindet sie im Restaurant. Doch kommt sie schon eine halbe Minute später wieder heraus.
    »Kaum eine Menschenseele um diese Zeit«, sagt sie. »Lass uns hier warten.«
    Also laufen Sophia und ich in der Nähe des Restaurants auf und ab und hoffen auf unser Glück. Sicher scheint jedenfalls, dass Christian sich öfter in dieser Straße aufhält.
    Der Wind ist in den letzten Stunden auch hier in der Stadt immer stärker geworden; die Menschen atmen auf. Als eine kleine Bö durch Sophias Haar fährt, berühre ich Sophia sanft im Nacken, der für einen Augenblick freiliegt. Sophia lacht auf. Wenn Sophia lacht, wirft sie dabei ihren Kopf nach hinten. Diese Bewegung steht im Gegensatz zu – Sophia. Diese Bewegung zeigt Freiheit, beinahe Überlegenheit.
    In dieser Bewegung Sophias sehe ich ihn.
    »Da!«, sage ich.
    »Hey, was?«
    »Ich bin mir sicher«, sage ich. »Komm.«
    Doch ist da nur das versammelte Mittelklasseindien in perfekt gebügelten Hemden, Röcken und Punjabis. Dann finde ich ihn wieder. Dreißig Meter vor uns trottet Christian seelenruhig vor sich hin, sein Telefon am Ohr. Er überragt alle hier um einen Kopf. Ich beobachte Sophia. Ihr Blick ist einfach nur leer, er zeigt keinerlei Regung. Christian trägt bei diesen Temperaturen Jeans, dazu ein weißes Hemd. Wir folgen ihm ein paar Minuten lang. Er ahnt bestimmt nicht, dass wir uns bloß wenige Meter hinter ihm befinden.
    »Was meinst du?«, sage ich.
    Sophia beißt sich auf die Lippen.
    An einer Ampel

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