Der dritte Mond
beinahe. »Wovon redest du?!« »Die Zone«, flüsterte Gurk. »Das ist ein Zonenschiff!« »Aha«, sagte Skudder. »Und was, bitte schön, ist ein Zonenschiff?« »Der Tod«, antwortete Gurk. »Euer aller Tod. Unser aller Tod.« Charity schaute wieder auf den Schirm. Das Gebilde schien sich irgendwie… verändert zu haben. Als hätte es auf Gurks Worte reagiert. Sie verscheuchte den Gedanken. Wenn überhaupt, dann war sie es, die auf die Worte des Zwerges reagierte. Und möglicherweise ganz genau so, wie er es wollte. »Da stimmt was nicht«, sagte der Techniker plötzlich. »Irgend etwas… stört das Übertragungssignal.« T atsächlich begann die Bildqualität sich rapide zu verschlechtern. Das Bild wurde grobkörniger, zugleich verblaßten die Farben, und das Abbild verlor an Schärfe und Tiefe. »Was ist da los?« fragte Hartmann scharf. »Das Teleskop arbeitet einwandfrei«, antwortete der Techniker. »Ich verstehe das nicht. Irgend etwas stört die Übertragung von Hubble zur Erde.« »Sie haben bemerkt, daß wir sie beobachten«, sagte Drasko. »Anscheinend sind sie nicht sehr erfreut darüber.« »Bemerkt?« fragte Skudder. »Wie?« »Nun, das Teleskop ist –« Drasko brach verblüfft ab, starrte erst Skudder, dann eine Sekunde lang den Monitor und dann wieder Skudder an. »Das Teleskop. Sie sagen es, Gouverneur«, meinte Skudder. »Niemand merkt, wenn ein Teleskop auf ihn gerichtet ist.« Das Bild auf dem Wandmonitor erlosch jetzt endgültig. Der Schirm zeigte nur noch weißes Schneegestöber. Nach einem Augenblick gab Hartmann dem Techniker einen Wink, woraufhin dieser abschaltete. »Ich versuche, eine neue Verbindung herzustellen.« »Sparen Sie sich die Mühe«, sagte Skudder. »Ich verwette mein nächstes Monatsgehalt, daß sie sämtliche Frequenzen stören.« »Aber wie können sie wissen, daß wir sie beobachten?« murmelte Drasko. »Das ist vollkommen unmöglich. Es sei denn…« Er sprach nicht weiter, sondern drehte sich langsam herum und fuhr erst nach sekundenlangem Schweigen und mit veränderter Betonung fort: »Es sei denn, irgend jemand hier treibt ein falsches Spiel.« »Und warum sehen Sie mich dabei so an?« fragte Gurk. »Die Auswahl ist nicht besonders groß«, antwortete Drasko. Gleichzeitig machte er eine kaum sichtbare Bewegung mit der linken Hand. Zwei seiner Männer traten vor und nahmen in unmißverständlicher Haltung rechts und links von Gurk Aufstellung. »Darf ich fragen, was das bedeutet?« fragte Hartmann. »Das, wonach es aussieht«, antwortete Drasko. »Ich nehme diesen Außerirdischen in Haft. Und sparen Sie sich gleich die Mühe, mir erklären zu wollen, daß ich das nicht kann. Ich kann, und ich werde, General. Dieser Außerirdische hätte keine Sekunde lang unbeobachtet bleiben dürfen.« »Sie werden hier niemanden verhaften, Gouverneur«, sagte Hartmann spröde. »Diese Anlage untersteht dem Militär. Sie haben hier keinerlei –« »Bitte!« sagte Charity. »Wir haben im Moment wirklich andere Probleme, meint ihr nicht?« Sie wandte sich mit einem – wie sie hoffte – beruhigenden Blick an Gurk. »Geh einfach mit. Skudder und ich kommen in einer Stunde nach und holen dich raus.« »Das bezweifle ich«, sagte Drasko kühl. Er gab den beiden Soldaten einen Wink. »Abführen!« Die Männer zögerten einen Augenblick. Sie wußten natürlich, daß Hartmann recht hatte: Gouverneur Drasko mochte ein mächtiger Mann sein, aber hier unten hatte er keinerlei Befehlsgewalt, während Hartmann ihr oberster Vorgesetzter war. Erst als Hartmann unmerklich nickte, ergriffen sie den Zwerg und führten ihn zum Lift. Gurk widersetzte sich nicht, aber als er sich herumdrehte, warf er Charity einen vorwurfsvollen Blick zu. Ihr Mitleid hielt sich allerdings in Grenzen. Natürlich war Draskos Verdacht schlichtweg absurd, und sie würde auch nicht tatenlos zusehen, wie Gurk länger als ein paar Stunden gefangen gehalten wurde. Diese paar Stunden allerdings gönnte sie ihm. Möglicherweise tat es Gurk ganz gut, einmal am eigenen Leib zu erfahren, was das Wort Ungewißheit bedeutete. Sollte er ruhig eine oder zwei Stunden schmoren. Das Licht über der Aufzugtür wechselte von rot auf grün. Die Türen glitten lautlos auf. Aber die Kabine dahinter war nicht leer. Genaugenommen war sie nicht einmal mehr da. Wo die zwei mal drei Schritte messende Aufzugkabine sein sollte, erstreckte sich eine endlose, rostfarbene Ebene unter einem blaßrosa Himmel.
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