Der dritte Schimpanse
ermöglichen, so daß sich Vögel mit ähnlichen Lebensgewohnheiten meist auch anatomisch sehr stark ähneln, unabhängig von ihrer Abstammung. Amerikanische Geier zum Beispiel ähneln in Aussehen und Verhalten stark den Altweltgeiern, obwohl Biologen herausfanden, daß erstere Verwandte der Störche, letztere der Habichte sind und daß die Ähnlichkeiten nur vom gleichen Lebensstil herrühren. Enttäuscht von den begrenzten Erfolgen beim Aufdecken der Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Vögeln mit herkömmlichen Methoden, wandten sich Sibley und Jon Ahlquist 1973 der DNS-Uhr zu. Ihre Arbeit blieb bis heute die umfangreichste taxonomische Anwendung der Methoden der Molekularbiologie. Erst 1980 waren Sibley und Ahlquist so weit, daß sie ihre Ergebnisse veröffentlichen konnten. Insgesamt hatten sie die DNS-Uhr auf rund 1700 Vogelarten angewendet – fast ein Fünftel aller heutigen Vogelarten.
Obwohl Sibley und Ahlquist eine sensationelle Leistung vollbracht hatten, entspann sich zunächst eine heftige Kontroverse, da nur wenige andere Wissenschaftler die richtige Kombination von Fachkenntnissen besaßen, um sie zu verstehen. Hier sind ein paar typische Reaktionen, die mir : gegenüber geäußert wurden :
»Ich kann davon nichts mehr hören. Ich achte gar nicht mehr darauf, was die schreiben« (ein Anatom).
»Ihre Methoden sind okay, aber wer will sich denn mit so einem langweiligen Thema wie Vogeltaxonomie beschäftigen?« (ein Molekularbiologe).
»Interessant, aber ihre Ergebnisse müssen erst noch gründlich mit anderen Methoden getestet werden, bevor wir ihnen glauben können« (ein Evolutionsbiologe).
»Ihre Ergebnisse sind eine wahre Offenbarung, davon können Sie ausgehen« (ein Genetiker).
Nach meiner Einschätzung kommt das letzte Zitat der Wahrheit am nächsten. Die Prinzipien, auf denen die DNS-Uhr beruht, sind unanfechtbar, und die von Sibley und Ahlquist angewandten Methoden entsprechen dem neuesten Stand der Wissenschaft . Außerdem bezeugt die interne Konsistenz ihrer genetischen Distanzmessungen an über 18 000 Vogelpaaren die Gültigkeit der Befunde.
So wie Darwin seine Hypothesen zur Variation zunächst an Hand von Entenmuscheln getestet hatte, bevor er das explosive Thema und seine Relevanz für den Menschen erörterte, beschränkten sich Sibley und Ahlquist während fast des gesamten ersten Jahrzehnts ihrer Forschungsarbeit mit der DNS-Uhr auf Vögel. Erst 1984 begannen sie mit der Veröffentlichung ihrer Folgerungen aus der Anwendung der gleichen DNS-Methoden für die Herkunft des Menschen. Ihre Studie beruhte auf DNS von Menschen und unseren engsten Verwandten: dem gewöhnlichen und dem Zwergschimpansen, Gorilla, Orang-Utan, zwei Arten von Gibbons und sieben Arten von Altweltaffen. Die Abbildung faßt die Ergebnisse zusammen.
Wie jeder Anatom prophezeit hätte, besteht der größ-te genetische Unterschied, ausgedrückt in einer starken Verringerung des DNS-Schmelzpunkts, zwischen der DNS von Affen und der von Menschen oder Menschenaffen. Damit wurde nur bestätigt, was jeder weiß, seit Menschenaffen der Wissenschaft bekannt sind. In Zahlen ausgedrückt, haben Affen 93 Prozent der DNS-Struktur mit Menschen und Menschenaffen gemein, in sieben Prozent unterscheiden sie sich.
STAMMBAUM DER HÖHEREN PRIMATEN
Abb. 1 : Folgen Sie den Linien von einem beliebigen Paar höherer Primaten zu dem schwarzen Punkt, an dem sie sich treffen. Sie können dann links die prozentuale Differenz zwischen der DNS dieser modernen Primaten ablesen und rechts die geschätzte Zahl von Jahrmillionen, seit ein letzter gemeinsamer Vorfahre existierte. Beispielsweise unterscheiden sich der gewöhnliche und der Zwergschimpanse in etwa 0,7 Prozent der DNS und entwickelten sich vor etwa drei Millionen Jahren auseinander ; der Mensch unterscheidet sich in 1,6 Prozent seiner DNS von beiden Schimpansen und divergierte vor etwa sieben Millionen Jahren vom gemeinsamen Vorfahren ; der Gorilla unterscheidet sich in etwa 2,3 Prozent der DNS von uns beziehungsweise den Schimpansen und trennte sich vor rund zehn Millionen Jahren von dem gemeinsamen Vorfahren.
Ebenso wenig überrascht der nächstgrößere Unterschied, nämlich von fünf Prozent, zwischen der DNS von Gibbons und der der anderen Menschenaffen und Menschen. Dies bestätigt die verbreitete Auffassung, daß Gibbons innerhalb der Menschenaffen eine Sonderstellung einnehmen und wir die größten
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